Der leiseste Verdacht
sollte. Der anonyme Anrufer benutzte ein Handy, konnte aber nicht identifiziert werden. Eine Überprüfung der Adresse ergab, dass es sich um das Einfamilienhaus eines pensionierten Arztes handelte, das sich in einer ruhigen Villengegend befindet. Die Beamten hatten sich rechtzeitig um das Haus postiert, und um Punkt acht fuhr tatsächlich ein Wagen vor. Ein Mann mit einem Päckchen stieg aus und klingelte an der Tür. Die Beamten hatten keine Mühe, ihn festzunehmen. Das Päckchen enthielt ein halbes Kilo Kokain. Der pensionierte Arzt, der in Mjölby eine bekannte und geachtete Persönlichkeit ist und früher in der Kommunalpolitik tätig war, fiel aus allen Wolken und behauptete, nichts mit der Sache zu tun zu haben. Nach mehreren Verhören und weiteren Untersuchungen gelangten die Kollegen zu der Auffassung, dass der Arzt als Lockvogel ausgewählt worden war, um den Kokainlieferanten in die Falle zu locken. Dieser schweigt beharrlich und trägt keine Papiere bei sich. Bleibt das Auto, das mit falschem Kennzeichen unterwegs war. Es hat eine Weile gedauert, um dessen ehemalige Halter aufzuspüren. Der Wagen wurde offenbar nicht in Schweden, sondern in Italien gekauft, wo er dreimal den Besitzer wechselte. Und als die Kollegen aus Mjölby heute unser ziemlich unscharfes Fahndungsfoto auf den Tisch bekamen, trauten sie ihren Augen nicht. Sie meldeten sich sofort bei uns und baten um weiteres Material. Ich rief seinen Arbeitgeber an, der mir bestätigte, dass unser Mann einen silbergrauen Ford Scorpio fährt, Baujahr ’90, den er vermutlich während eines Urlaubs in Italien gekauft hat. Natürlich wusste sein Arbeitgeber nicht, dass die Kennzeichen falsch waren.
Nachdem wir mit den Kollegen aus Mjölby weitere Informationen ausgetauscht haben, besteht wohl kein Zweifel mehr, dass wir von derselben Person sprechen. Ich gehe davon 289
aus, dass sie uns wegen einer Hausdurchsuchung um Hilfe ersuchen werden.«
»Was sagt sein Arbeitgeber dazu?«, fragte Roos.
»Er wirkte schockiert und hatte keine Ahnung, dass sein Vorarbeiter in Drogengeschäfte verstrickt ist.«
»Haben Sie mit ihm selbst gesprochen?«
»Nur am Telefon.«
Roos schwieg eine Weile. Dann war ein leises Seufzen zu hören.
»Ich befürchte, dass die These, die wir bei Ihrem Besuch diskutiert haben, damit nicht vom Tisch ist. Im Gegenteil …«, sagte er ernst.
»Eine unmittelbare Bedrohung vermag ich zwar nicht zu erkennen, doch haben wir allen Grund, wachsam zu sein. Es ist ein sehr unglücklicher Umstand, dass sich auf diesen Ort so viel Aufmerksamkeit richtet.«
Roffe atmete tief durch, als befürchte er, Roos mit der nächsten sensationellen Nachricht zu überfordern.
»Ich habe noch eine weitere Nachricht«, sagte er vorsichtig.
»Um Himmels willen«, stöhnte Roos. »Bei Ihrem Tempo komme ich kaum noch mit.«
»Auch die Kollegen in Stockholm haben sich mit unserem Fahndungsfoto beschäftigt, insbesondere eine Kommissarin, die im Mordfall Marianne Wester ermittelt. Erst vor kurzem hat sie deren private Fotosammlung durchgesehen, und da sie offenbar über ein hervorragendes optisches Gedächtnis verfügt, stutzte sie, als sie unser Fahndungsfoto sah. Sie ließ sich die Fotos von Frau Wester noch einmal kommen und rief mich kurz darauf an.
Die Person, nach der wir fahnden, ist auf drei Fotos gemeinsam mit Marianne Wester zu sehen.«
»Puh, war’s das oder haben Sie noch mehr auf Lager?«
»Im Moment ist das alles.«
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»Haben Sie schon überprüft, wo sich die betreffende Person an dem Tag aufhielt, an dem Frau Wester ermordet wurde?«
»Ich habe versucht, seinen Arbeitgeber anzurufen, um mich danach zu erkundigen, aber im Moment erreiche ich ihn einfach nicht. Ich bleibe natürlich am Ball. Vermutlich hat er viel um die Ohren, jetzt, da sie ein Mann weniger auf dem Hof sind.«
»Der zweite Verdacht, den ich habe, ist schwerwiegender«, sagte Roos bedächtig. »Sie stellten am Dienstag doch selbst in den Raum, dass hinter dem Mord in Stockholm eine größere Organisation stehen könnte. Eine Verbindung unseres Manns zu solch einer Organisation wäre äußerst beunruhigend.«
»Ja, das finde ich auch«, stimmte Roffe mit unangemessener Munterkeit zu. »Aber ich denke, mit dem Ertrag des heutigen Tages können wir sehr zufrieden sein. Wenn das in diesem Tempo weitergeht, bin ich zuversichtlich, dass beide Fälle bald aufgeklärt sein werden. Übrigens habe ich heute ein vergrößertes Foto unseres Mannes zu Ihnen losgeschickt. Und
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