Der leiseste Verdacht
Jahren. Ich hatte auf ein paar weitere Jahre gehofft, aber vermutlich sollte ich dankbar sein, dass es so lange gut gegangen ist.«
Sie entzog ihm abrupt ihre Hände und schlug die Augen nieder. Er wartete schweigend ab, wollte ihr Zeit geben, die schockierenden Informationen zu verdauen. Sie beugte ihren Kopf tief hinunter. Ihre dunkelblonden Haare, in denen nach wie vor keine einzige graue Strähne zu finden war, hingen wie ein schützender Vorhang vor ihrem Gesicht. Die Finger ihrer rechten Hand drehten nervös an ihrem Ehering. Mit wachsender Unruhe begriff er, dass ihre Reaktion nicht vorhersehbar war.
Aus irgendeinem Grund hatte er stets mit ihrer Loyalität gerechnet, doch eigentlich wusste er nicht, wo deren Grenzen lagen. Er wusste nur eins: Dass er sie unbedingt mitnehmen wollte. Ein Leben ohne sie war nahezu unvorstellbar. Sie hatten in ihrer langen Ehe so manche Krise ausgestanden, doch stets aneinander festgehalten. Er glaubte, sie hätten ein großzügiges und tolerantes Verhältnis zueinander entwickelt, das auf aufrichtigem gegenseitigen Vertrauen basierte. Doch wie konnte er sicher sein, dass sie deswegen bereit war, mit ihm ins Exil zu gehen? Ihre Bindung zu den erwachsenen Kindern war außerdem stärker als seine. Als sie endlich die Sprache wiederfand, hörte er ihrer Stimme eine beunruhigende Distanziertheit an.
»Warum tust du das? Etwa wegen des Geldes?«
»Ich hoffe, du verstehst, dass ich mich niemals darauf eingelassen hätte, wäre ich nicht seinerzeit durch die äußeren Umstände dazu gezwungen gewesen.«
»Was für Umstände?«, fragte sie misstrauisch.
Er holte tief Luft und versuchte gegen eine schleichende Mattigkeit anzukämpfen. Es kostete viel Kraft, nach all den Jahren reinen Tisch zu machen.
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»Du weißt doch, dass ich vor acht Jahren unter bedrückenden Spielschulden litt. Du weißt jedoch nicht, dass die Hypothek, die ich damals auf das Haus aufgenommen habe, bei weitem nicht ausreichte, um die Schulden zurückzuzahlen, wie ich dir damals weisgemacht habe. Ich stand kurz vor der finanziellen Katastrophe, und der Gedanke, dir dies alles zuzumuten, war unerträglich. Ich sage dies nicht, um dein Mitleid zu erregen, aber ich trug mich zu dieser Zeit mit ernsthaften Selbstmordgedanken, vorausgesetzt natürlich, ich hätte alles wie einen Unfall aussehen lassen können. Damit dir zumindest meine Lebensversicherung ausgezahlt worden wäre. In dieser Situation bin ich von einem Mitarbeiter der Organisation kontaktiert worden, er gehörte nämlich zu meinen Gläubigern.
Er machte mir einen Vorschlag, den ich nicht ablehnen konnte.
Er rettete mir das Leben.«
»Was hat er dir angeboten?«
»Erstens einen Schuldenerlass und zweitens eine Million jährlich für meine Dienste.«
Sie blickte hastig auf und flüsterte: »Das ist nicht wahr.«
Ihre erschreckte Reaktion nötigte ihm ein Lächeln ab.
»Meinem letzten Kontoauszug zufolge besitze ich rund zehn Millionen. Schon die Verzinsung einer solchen Summe ist beträchtlich.«
Schwer atmend starrte sie ihn an, als begriffe sie erst jetzt, dass er die Wahrheit sagte.
»Aber du hast das Geld doch wohl nicht auf einer Bank?«, entfuhr es ihr.
»Doch, ich habe es auf einer Bank, aber natürlich nicht in Schweden. Es liegt und wächst auf einem Schweizer Nummernkonto. Ich muss mich darum nicht kümmern, bekomme nur in regelmäßigen Abständen einen Kontoauszug, das ist alles.«
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Jetzt hatte der Schock sie eingeholt. Sie begann zu zittern und schlang die Arme um sich, als wolle sie sich schützen. Ihr Blick irrte durch den halb dunklen Raum. Er spürte, dass sie es vermied, ihn anzusehen.
»Was willst du jetzt tun?«, fragte sie.
»Abwarten. Im Moment kann ich nichts tun.«
»Aber irgendwas ist schief gegangen, oder?« Sie flüsterte immer noch, als befürchte sie, belauscht zu werden.
»Ja, etwas ist schief gegangen, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich nicht beurteilen, wie gefährlich die Situation ist. Ich muss abwarten, wie sich die Lage entwickelt.«
»Es besteht also die Gefahr, dass du auffliegst?«
»So weit werde ich es nicht kommen lassen. Daher spiele ich mit dem Gedanken, mich von allem zurückzuziehen. Würdest du in diesem Fall mit mir kommen?«
In ihren eigenen Gedanken befangen, schien sie seine Frage nicht gehört zu haben. Er überlegte, ob er sie in Details einweihen sollte.
»Erst heute ist mir klar geworden, wie gefährlich meine Lage geworden ist. Mein Verbindungsmann ist plötzlich
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