Der leiseste Verdacht
sich erneut. »Vielleicht haben sie uns schon gesehen. Wir simulieren einen Stein im Schuh. Tut was!«
Roffe stellte sich vor, wie die beiden Jogger am Wegesrand unmittelbar vor Enqvists Hütte verzweifelt versuchten, sich nichts anmerken zu lassen. Sie durften sich dort keinesfalls länger aufhalten, wollten sie kein Misstrauen erregen und ein Scheitern der gesamten Aktion riskieren. Während Roffe und Hjalle unwillkürlich den Atem anhielten, bekamen sie die unheilschwangere Nachricht, die Rauchpatrone sei erloschen.
Ein neuer Versuch wurde unternommen, und Hjalle flüsterte etwas vor sich hin, das wie ein Stoßgebet klang. Schließlich die 349
befreiende Nachricht: »Alles okay. Kräftige Rauchentwicklung.«
Im selben Augenblick hörten sie Gudruns erleichterte Stimme.
»Wir sehen den Rauch. Laufen jetzt zum Haus.«
Hjalle ließ sich kurz zurücksinken und atmete erleichtert aus, war aber schon im nächsten Moment wieder voll konzentriert.
Ein Team, das sich bis zum Ostgiebel der Hütte vorgearbeitet hatte, konnte berichten, dass die vermeintlichen Jogger inzwischen vor der Tür standen und Gudrun bereits geklopft habe. Von wiederholtem Knistern unterbrochen, erhielten Hjalle und Roffe eine sehr detaillierte Beschreibung der aktuellen Lage. Die Tür wurde von Enqvist einen Spaltbreit geöffnet, und Gudrun zeigte aufgeregt in Richtung des Transporters, der wegen der starken Rauchentwicklung kaum noch zu sehen war.
Für einen langen Moment schien Enqvist ratlos zwischen dem Joggerpaar und dem Transporter hin und her zu schauen, ehe er sich besann und etwas ins Haus rief. Einer der beiden Männer erschien in der Tür. Als er den Rauch sah, zögerte er keine Sekunde und spurtete fluchend auf das Auto zu. Währenddessen äußerten Gudrun und Stig zahlreiche Vermutungen, wie der Brand entstanden sein könnte, und gaben Tipps zu seiner Behebung, alles mit dem Zweck, Enqvist von der Tür wegzulocken und abzulenken, damit die Einsatzkräfte den Ring um die Hütte unmerklich enger ziehen konnten. Erst als er Geräusche hörte, die nicht von dem Mann an dem rauchenden Wagen stammten, wurde er misstrauisch, doch im selben Moment wurde Enqvist auch schon von hinten überwältigt.
Auch die vier Männer, die in die Hütte eindrangen, hatten ein leichtes Spiel. Der dritte Ganove wurde mit einem solchen Tempo überrumpelt und entwaffnet, dass an Widerstand gar nicht zu denken war.
»So muss das laufen!«, sagte Hjalle mit unverhohlener Freude, nachdem er gehört hatte, dass die drei Männer entwaffnet und 350
festgenommen worden waren. Mit breitem Lächeln wandte er sich Roffe zu: »Ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt bin.
Was sagst du dazu? Nicht ein einziger Schuss ist gefallen. Also besser kann es nun wirklich nicht laufen.«
Roffe brachte wortreich seine Bewunderung für die professionelle Durchführung und Hjalles perfekte Regie zum Ausdruck. Kurz darauf lief ihnen Gudrun aus dem Dunkel entgegen. Sie war so euphorisch wie eine Schauspielerin, die nach einer glanzvollen Vorstellung ihren verdienten Applaus erwartet.
Ausgelassen scharten sich alle um das Einsatzfahrzeug. Der Gegensatz zu der angespannten Stille, die eben noch geherrscht hatte, hätte nicht größer sein können. Hjalle organisierte den Rückzug und sagte zu Gudrun und Roffe: »Ich will Enqvist bei mir im Wagen haben. Ihr fahrt zusammen mit Hemberg in Wagen zwei.«
Roffe wusste, dass er jetzt an der Reihe war. Zu ihm würde Hemberg vermutlich das größte Vertrauen haben.
Hjalle bekräftigte das: »Wir haben ihm gerade das Leben gerettet, er sollte also überaus erleichtert sein. Aber er darf nicht zu viel Zeit zum Nachdenken bekommen. Gudrun wird das Verhör auf dem Präsidium leiten, doch bis dahin wird er sich irgendeine Geschichte zurechtgelegt haben. Versucht deshalb alles, um ihm während der Fahrt ein paar Aussagen zu entlocken, die er beim Verhör sicher nicht machen wird. Wartet, ich gebe euch noch ein Aufnahmegerät mit.«
In diesem Moment erblickten sie Axel Hemberg, der ihnen, gestützt auf zwei Polizisten, schwankend entgegenkam. Roffe wandte sich rasch ab, damit Hemberg ihn nicht sofort erkannte, und sagte zu Gudrun: »Es wäre gut, wenn du zuerst mit ihm sprichst, ehe er mich erkennt. Dann können wir sehen, welche Linie er fährt. Wenn ich mich recht entsinne, ist er glatt wie ein Aal.«
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»Du meinst, ich soll ihm das Gefühl geben, dass es immer noch Schlupfwinkel für ihn gibt?«
»So in etwa.«
Axel Hemberg
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