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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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zitterte so heftig, dass sie ihn behutsam ins Auto manövrieren mussten. Als er schließlich auf der Rückbank saß, starrte er bewegungslos vor sich hin und sagte kein Wort.
    Gudrun und Roffe nahmen ihn in die Mitte, und das Auto setzte sich in Bewegung.
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    Am selben Abend
    Da es dunkel im Auto war, lief Roffe nicht Gefahr, erkannt zu werden. Sobald sie auf der Hauptstraße waren, wandte sich Gudrun in mitfühlendem Ton an Hemberg: »Sie sahen sehr mitgenommen aus, als Sie zum Wagen gebracht wurden. Im Moment kann ich Ihnen nur eine Kopfschmerztablette anbieten, wenn Sie möchten. Auf dem Präsidium können wir uns besser um Sie kümmern. Haben Sie in letzter Zeit etwas zu essen bekommen?«
    Hemberg schüttelte den Kopf. Roffe ahnte mehr, als dass er sah, wie Hemberg sie mit unmerklichem, aber geschultem Blick taxierte.
    »Danke für Ihre Hilfe«, murmelte er leise und fuhr mit schwacher Stimme fort: »An Essen wage ich im Moment gar nicht zu denken. Ich kann immer noch nicht fassen, was geschehen ist. Wo sind wir eigentlich?«
    »Südlich von Tumba.«
    »Tumba? Kein Wunder, dass ich die Orientierung verloren habe.« Das erzwungene Lachen seiner brüchigen Stimme klang wie ein Schluchzen, Roffe warf seinem ehemaligen Mitschüler einen diskreten Blick zu. Er hatte sich seit ihrer letzten Begegnung vor ungefähr zehn Jahren nicht wesentlich verändert. Zwar sah er im Moment ein wenig derangiert aus, doch wenn Roffe ihn recht kannte, war sein Äußeres tadellos gewesen, bis Enqvists Killer sich seiner angenommen hatten.
    Neu war allerdings sein gepflegter Vollbart, der vermutlich der Tatsache zu verdanken war, dass er hatte untertauchen müssen.
    »Von woher hat man Sie zu dieser Hütte gebracht?«, fragte Gudrun.
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    »Aus Eskilstuna.«
    »Eine sehr lange Fahrt, wenn man gefesselt ist«, sagte sie ernst.
    Erst jetzt schien Hemberg vollständig zu realisieren, dass er seinen Peinigern und damit seinem sicheren Tod entgangen war.
    Mit einem Mal klang er wie befreit.
    »Ja, eine schrecklich unangenehme Art zu reisen. Ich kann noch gar nicht glauben, dass es vorbei ist. Eben war ich noch sicher, sterben zu müssen, und jetzt sitze ich hier. Wie soll man sich für sein Leben bedanken? Vermutlich kann man das nicht.«
    »Sie können ja alle beteiligten Polizisten zum Essen einladen«, sagte Gudrun scherzhaft.
    »Ja, das würde ich gern tun und jeden Einzelnen von Ihnen umarmen«, antwortete er gerührt, wobei er sich Gudrun entgegenbeugte, als wolle er sogleich mit ihr beginnen. Doch sie wandte rasch den Kopf ab und schaute aus dem Fenster. Er schien es nicht zu bemerken, so ergriffen war er von seiner wiedergewonnenen Freiheit.
    »Wenn man bedenkt, was ich durchgemacht habe, fühle ich mich erstaunlich gut«, sagte er. »Obwohl mir alle Knochen wehtun. Die hatten mich verdammt stramm gefesselt. Aber was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Ich bin am Leben!« Er lachte auf, und diesmal war es ein richtiges Lachen.
    »Sieht so aus, als brauchten Sie keine Kopfschmerztablette mehr«, sagte Gudrun munter.
    »Nein, die brauche ich wirklich nicht.« Er senkte die Stimme und sagte vertraulich: »Aber es gibt etwas anderes, das Sie für mich tun könnten.«
    »Und was?«
    »Die haben mir wirklich alles abgenommen. Ich habe nicht einmal mehr ein bisschen Kleingeld bei mir. Ich weiß natürlich, dass in diesem Fall gründlich ermittelt werden muss, und ich 354

    werde alles tun, um meinen Teil zur Aufklärung beizutragen.
    Aber vielleicht könnten Sie mir erst einmal mein Eigentum wiedergeben, meine Kreditkarten, meinen Pass … Die Nacht werde ich dann wohl in einem Hotel verbringen. Gott, wie sehr ich mich nach einer warmen Dusche und einem weichen Bett sehne! Morgen werde ich dann ausgeruht sein und Ihnen all Ihre Fragen beantworten können. Das Präsidium werde ich schon finden.«
    »So hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt«, sagte Gudrun liebenswürdig. »Es wird das Beste sein, Sie kommen gleich mit aufs Präsidium und machen eine vollständige Zeugenaussage.«
    Axel erstarrte und schlug sofort einen sehr viel kühleren Ton an: »Ist das wirklich notwendig? Ist es nach allem, was ich durchgemacht habe, nicht etwas viel verlangt, dass ich die halbe Nacht aufbleibe und Fragen beantworte? Und irgendwo muss ich ja schließlich schlafen.«
    »Sie brauchen nicht die halbe Nacht aufzubleiben«, sagte Gudrun. »Das wird heute Abend nur eine vorläufige Befragung.
    Selbst Polizisten müssen irgendwann schlafen.

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