Sex in der Dose
1
Die Ellenbogen auf die Knie gestützt,
saß sie vorgebeugt auf der Couch und nagte an ihrem rechten Daumenknöchel. Ihre
enormen blauen Augen trugen dunkle Ringe; das blonde lange Haar erinnerte an
eine wirre Clownsperücke. Am Leibe trug sie nur ein schwarzes Bikinihöschen,
und die vollen nackten Brüste wirkten in dieser Ruhestellung fast statuesk .
»Okay«, sagte ich. »Wo drückt
der Schuh?«
Überrascht blickte sie zu mir
auf. »Rick«, flüsterte sie. »Wie sind denn Sie hier hereingekommen?«
»Die Haustür steht
sperrangelweit offen«, berichtete ich. »Fühlen Sie sich einsam? Haben Sie
deshalb diesen wilden nächtlichen Hilferuf losgelassen? Sie haben wohl mal
wieder zu tief ins Glas geschaut und konnten die eigene Gesellschaft nicht mehr
ertragen.«
»Ich bin nicht betrunken«, sagte
sie. »Vorher vielleicht ein bißchen, aber jetzt bin ich stocknüchtern.«
»Ich hatte gerade diesen
wunderschönen Traum«, sagte ich mit Betonung. »Und da läutete das Telefon.
Gerade als ich träumte, daß jeder Mann außer mir plötzlich impotent geworden
war. Die Mädchen aus aller Welt arbeiteten gerade den Zeitplan für mich aus:
Zehn von ihnen pro Tag, und zur Entspannung konnte ich mir freitags eine noch
frei wählen.«
»Im Schlafzimmer«, sagte sie.
»Im Schlafzimmer, im Bad«,
nickte ich. »Sogar am Strand und oben auf dem Empire State Building .
Ich durfte mir Mädchen nehmen, wo ich wollte, weil ich der einzige Mann war,
der die Menschheit vorm Aussterben bewahren konnte.«
»Er liegt im Schlafzimmer«,
wiederholte sie.
»Wer denn?«
»Ich will nicht darüber
sprechen!« stieß sie mit plötzlicher Wildheit aus. »Sehen Sie’s sich an.«
Das Schlafzimmer wirkte, als
sei ein Tornado durchgezogen. Auf der Kommode war eine Flasche Whisky
umgefallen und hatte ihren Inhalt auf den Teppich ergossen. Kleidung war in
wüsten Haufen übers ganze Zimmer verteilt, die Tagesdecke lag in einem Knäuel
am Fußende des Bettes. Vor den geschlossenen Verandatüren schlief ein Mann
nackt auf dem Rücken, neben sich eine geflochtene Lederpeitsche. Ich machte ein
paar Schritte auf ihn zu, blieb dann aber abrupt stehen. Wo sein Gesicht hätte
sein sollen, starrte mir nur eine blutige, formlose Masse entgegen. Blut,
Hautfetzen und anderes undefinierbares Material klebten an den Fensterscheiben.
Der Magen drehte sich mir um, deshalb wandte ich mich schleunigst ab und eilte
wieder ins Wohnzimmer zurück.
Lindy Carter machte sich nicht die
Mühe, zu mir aufzusehen. Sie war immer noch zu intensiv mit ihrem Daumen
beschäftigt.
»Er ist tot, nicht wahr?«
fragte sie dann zögernd.
»Wer ist das?«
»Ich hörte diesen fürchterlichen
Lärm«, berichtete sie. »Selbst im Badezimmer klang es noch so, als würde das
ganze Haus einstürzen. Einen Augenblick dachte ich an ein Erdbeben.«
»Wer ist das?« wiederholte ich.
»Hal Lessinger «,
sagte sie. »Rick, ich brauche was zu trinken.«
»Hal Lessinger ?«
Meine Stimme klang hohl. »Dann brauchen wir beide was zu trinken.«
Ich ging hinüber zur Bar,
machte die Drinks und trug sie zur Couch zurück. Gierig nahm mir Lindy das Glas aus der Hand und trank es auf einen Zug halb
leer.
»Es war wie ein Alptraum«,
erzählte sie dann. »Zuerst wollte ich es gar nicht glauben. Ich mußte Sie
einfach anrufen, Rick. Sie sind der einzige Freund, den ich noch habe. Außerdem
ist so etwas Ihre Spezialität, nicht wahr?« Hoffnungsvoll blickte sie zu mir
auf.
»Sie waren also gerade im Bad?«
fragte ich.
»Hal war Masochist«, berichtete
sie, als sei damit alles erklärt. »Als ihn das Auspeitschen endlich in Fahrt
gebracht hatte, war ich so fertig, daß ich mich unter dem Vorwand, ins Bad zu
müssen, eine Weile ausruhen wollte.«
»Und da hörten Sie den Schuß?«
»Es war ein furchtbar lauter
Krach. In dem Moment dachte ich, das Trommelfell wäre mir geplatzt.«
»Was taten Sie dann?«
Sie kaute an der Unterlippe.
»Rick, ich war ein kleines bißchen blau, und außerdem hat mich der Krach fast
umgehauen. Ich fürchte, zunächst habe ich überhaupt nichts getan.«
»Sie sind einfach im Badezimmer
geblieben?«
»Stimmt.« Sie nickte langsam.
»Dann machte ich endlich die Tür auf und ging ins Schlafzimmer zurück. Ich brauchte
nur einen einzigen Blick auf ihn zu werfen, um zu sehen, daß er tot war.«
»Und sonst hielt sich niemand
im Zimmer auf?«
»Nein. Sonst wäre ich vor
Schreck gestorben!«
»Haben Sie sich vergewissert,
daß er nicht mehr lebte?«
»Wozu?«
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