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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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Wenn ich mich auf der sicheren Seite fühlte, verkaufte ich selbst ein paar Blätter, aber nicht besonders oft. Enqvist zwang mich auch, Gemälde und kleine Skulpturen zu verkaufen, die allem Anschein nach echt waren. Ich habe nie zu fragen gewagt, wie er an sie herangekommen ist. Seine kalte, unpersönliche Ausstrahlung machte mir Angst. Wie soll ich das weiter erklären? Er hatte mich in der Hand. Kunst interessiert ihn nicht die Bohne. Sie ist für ihn nur Mittel zum Zweck; etwas, das sich zu Geld machen lässt. Übrigens wurde mir im Lauf der Zeit klar, 360

    woher die Kunstgegenstände kamen, die ich für ihn weiterverkaufte. Und ich begriff, dass Enqvist nicht allein war, sondern über eine Reihe von Leuten verfügte, die seine Interessen vertraten. Diese Erkenntnis war für mich sehr schmerzhaft. Als ich endlich ein bisschen Geld zu verdienen begann, forderte er plötzlich zwanzig Prozent meiner gesamten Einkünfte, also auch der Einkünfte, die nichts mit unseren Geschäften zu tun hatten. Natürlich wurde ich wütend und weigerte mich. Da lächelte er bloß zynisch und verließ wortlos die Galerie. Am nächsten Tag, kurz vor Geschäftsschluss, kamen zwei Gorillas zu mir herein, und sofort wusste ich, was die Stunde geschlagen hatte. Zuerst dachte ich, sie wollten mich ausrauben, aber sie fassten nichts an, sondern drängten mich einfach in mein Büro, wo sie mich einer ausgeklügelten Behandlung unterzogen. Es war eine schreckliche Qual, hinterließ aber nahezu keine Spuren. Es waren absolute Profis, die so leise und konzentriert arbeiteten, als wären sie Techniker, die nur die Telefonleitungen überprüften. Bevor sie gingen, besaßen sie die Frechheit, eine Bezahlung für ihre Dienste zu fordern. Sie sagten, ihr Stundenlohn betrage zweitausend Kronen, und da sie mich eine halbe Stunde behandelt hätten, wären tausend Kronen fällig. Natürlich bezahlte ich ohne zu zögern. Es dauerte mehrere Stunden, bis ich in der Lage war, nach Hause zu fahren. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich auch die zwanzig Prozent an Enqvist widerspruchslos bezahlte. Im Grunde war es eine Art Schutzzahlung, um weiteren Misshandlungen zu entgehen. Ich habe die beiden Männer nie wieder gesehen, doch das bloße Wissen, dass sie existierten, machte mich gegenüber Enqvist gefügig.«
    Axel hielt inne und kramte in seinen Hosentaschen. Als er nicht fand, wonach er suchte, rief er zornig: »Diese Banditen haben mir sogar mein Taschentuch weggenommen.«
    Der Schweiß rann ihm die Schläfen hinunter und wurde von seinem Bart aufgesogen. Gudrun reichte ihm ein paar 361

    Papiertaschentücher. Er nahm sie dankbar entgegen und tupfte sich umständlich die Stirn ab. Roffe warf einen verstohlenen Blick auf seine Armbanduhr. Er wollte keine Zeit verlieren und das Verhör zügig fortsetzen.
    »So viel also zu den Kunstgeschäften«, sagte er kurz.
    »Kommen wir zu Enqvists sonstigen Tätigkeiten, die offenbar sehr vielfältig sind.«
    Axel schaute ihn vorwurfsvoll an und ließ die Mundwinkel hängen. »Du wolltest schließlich alles von Anfang an hören«, sagte er beleidigt. »Zu den anderen Dingen wollte ich gerade kommen.«
    »Gut, wir haben nämlich nicht die ganze Nacht lang Zeit.«
    »Wie ich eben schon sagte, begann ich mit der Zeit zu begreifen, woher die Kunstobjekte kamen, die ich für ihn verkaufte. Anfangs fürchtete ich, es handle sich um Diebesgut, aber das war nicht der Fall. Vielmehr handelte es sich um das Nebenprodukt einer anderen Tätigkeit, nämlich der des Geldverleihens. Kunstobjekte dienen bei Geldgeschäften ja gern als Sicherheit und werden bei Überschreitung der Zahlungsfrist einfach gepfändet. Nachdem ich ein paar Jahre mit Enqvist zusammengearbeitet hatte, fing er an, mich mit anderen Aufträgen zu versorgen. Ich sollte die Kreditvergabe in einem gewissen Gebiet organisieren, das schließlich ganz Mittelschweden umfasste. Zu diesem Zeitpunkt war mir bewusst, dass Enqvist einer Organisation angehörte, die er ausschließlich ›den Kreis‹ nannte. Vieles deutete darauf hin, dass der Kreis eine international operierende Organisation war, doch hatte ich zunächst nur vage Vorstellungen von ihr. Eines begriff ich jedoch rasch, nämlich dass Enqvist nicht zu den Topleuten gehörte. Manchmal spürte ich, dass auch er unter Druck stand. Was die ganze Maschinerie am Laufen hielt, war die Angst ihrer Mitarbeiter. Der Kreis ist auf verschiedensten Feldern tätig und sorgt gut für seine loyalen Mitglieder. Was

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