Der leiseste Verdacht
andere Quellen, die einen mit Informationen versorgen.
Wenn ich die Abendzeitungen lese, vergeht mir einfach der Appetit.«
»Finden Sie sie wirklich so schlecht?«
»Ja, das finde ich. Aber jetzt möchte ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten. Heute kommt mich ein guter Freund besuchen.
Katharina ist in der Stadt, und er hat versprochen, das Essen zu machen, weil er meinen Kochkünsten nicht traut. Da will ich ihn zumindest mit einem guten Dessert überraschen. Können Sie mir etwas vorschlagen?«
Astrid sah sich suchend um. Ihr Blick wanderte zwischen einer fertigen Crème brûlée und einer halb fertigen Mousse au Chocolat hin und her.
»Die Zubereitung sollte nicht zu lange dauern oder zu aufwändig sein«, fügte PM hinzu.
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»Ich … habe natürlich auch schöne Eistorten in der Kühltruhe«, entgegnete sie zögerlich.
»Welche Geschmacksrichtungen?«
»Birne …«
»Birne, wunderbar! Die nehme ich. Und dazu eine Schokoladensauce. Haben Sie Blockschokolade?«
»Ich habe fertige Schokoladensauce aus der Tube.«
»Dann nehme ich eine Tube und ein paar frische Birnen zum Garnieren. Damit wird er sicher zufrieden sein, meinen Sie nicht?«
»Ganz bestimmt.«
»Also bitte noch das Päckchen Hamilton und eine Schachtel Streichhölzer. Und das Ganze bitte auf zwei Tüten verteilt, damit ich auf beiden Seiten des Lenkers ungefähr dasselbe Gewicht habe.«
Astrid begann etwas unwillig die Tüten zu füllen. Sie schien noch mehr auf dem Herzen zu haben, ehe sie ihn ziehen lassen wollte.
»Wie hat Nygren es aufgenommen?«, fragte sie schließlich.
»Das ist doch fürchterlich, einen Hof zu übernehmen und dann gleich mit so einer schrecklichen Sache konfrontiert zu werden.
War er sehr schockiert?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe nicht mit ihm gesprochen, seit sie die Leiche gefunden haben. Eigentlich bekommt man ihn nur selten zu Gesicht, und mit mir ist das wohl auch nicht anders, nehme ich an. Aber gefreut wird er sich nicht gerade haben, davon können wir ausgehen.«
»Ach so, Sie haben also nur wenig Kontakt zu ihm?«
PM hörte einen enttäuschten Unterton in ihrer Stimme.
»Wir grüßen uns hin und wieder und wechseln ein paar Worte über das Wetter, wenn wir uns zufällig über den Weg laufen. Er hat offenbar viel um die Ohren und ist nicht sehr gesprächig.«
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»Finden Sie? Ich hatte den Eindruck, dass er sehr freundlich und aufgeschlossen ist.«
»Kennen Sie ihn denn?«
»Ja, er war einmal bei mir im Laden, allerdings nur ein einziges Mal. Ich vermute, er macht es wie die allermeisten auch und erledigt seine Einkäufe in der Stadt.«
Astrid schien plötzlich verstimmt und warf einen missmutigen Blick durch das Fenster auf die menschenleere Straße.
PM fühlte, dass der Vorwurf auch ihm galt, und wusste nicht, was er sagen sollte. Doch sie nahm sich rasch wieder zusammen und sagte seufzend: »Ja, die Zeiten ändern sich eben. Als Per und ich den Laden in den fünfziger Jahren übernommen haben, sah alles noch anders aus. Glauben Sie mir, damals gab es jede Menge Leute hier. An den Samstagen war so viel los, dass wir noch eine Aushilfskraft einstellen mussten. Und als die Mädchen größer wurden, haben sie natürlich auch mit angepackt. Alles war damals schöner. Unser Geschäft war gewissermaßen ein Treffpunkt für die Leute aus dem Ort.
Vielleicht wissen Sie noch, dass Per nebenan einen Kiosk besaß.
Den haben sie schon vor langer Zeit abgerissen. Abends kamen immer viele Jugendliche und standen mit ihren Fahrrädern und ihren Mopeds vor dem Kiosk. Die hatten damals nichts anderes zu tun. Bei Per kauften sie Süßigkeiten und einzelne Zigaretten.
Waren alles nette Jungs und Mädels, keine Rowdys darunter.
Damals konnte man die Mädchen noch guten Gewissens auf die Straße lassen. Heute tun mir die Leute Leid, die Kinder haben, wenn man sich überlegt, was ihnen alles zustoßen kann, ich meine, bei all den Drogen und Verbrechen überall. Hier gibt es fast keine Jugendlichen mehr. Im Ort wohnen vor allem ältere Leute. Aber dieser Nygren hat auf mich wirklich einen netten Eindruck gemacht.«
Astrid senkte die Stimme und lehnte sich über die Ladentheke.
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»Sie glauben gar nicht, wie erschrocken ich war, als er hier zur Tür reingekommen ist. Er sah Per so ähnlich, dass mir fast das Herz stehen geblieben wäre. Etwas größer und kräftiger war er vielleicht, aber Gesicht und Stimme waren zum Verwechseln ähnlich. Nicht wie Per in den letzten Jahren, bevor er gestorben
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