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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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ist. Da war er ja völlig abgemagert und ausgezehrt. Aber so wie in seinen besten Jahren, so sah er aus. Dasselbe freundliche, offene Gesicht, die Nase, das Kinn, einfach alles. Die Ähnlichkeit war fast erschreckend. Mir wurde es ganz weich in den Knien. Dann kamen wir ins Gespräch miteinander, und als ich verstand, um wen es sich handelte, habe ich mich ein bisschen beruhigt. Ich habe natürlich nichts gesagt und auch sonst niemandem davon erzählt, denn das kommt einem doch alles ein bisschen, wie soll ich sagen … übernatürlich vor. Aber ich fand ihn sehr sympathisch und habe mich gefreut, dass er hierher ziehen wollte. Diese Sandströms, die den Hof vorher bewirtschaftet haben, waren doch eigentlich ziemlich unangenehme Leute. Das war übrigens das erste Mal, dass er zu seinem neuen Hof wollte. Er hatte ihn sich bis dahin noch gar nicht ansehen können. Alles war von einem Makler geregelt worden. Er hatte das Auto voller Sachen und hat mehrere Tüten mit Lebensmitteln eingekauft. Später hat er dann Svens Hunde gesehen und mich gefragt, ob ich einen guten Züchter kenne, denn genau solche Hunde wollte er haben. Er brauche zwei Wachhunde, hat er gesagt. Ich habe ihm geraten, mit Sven zu sprechen, weil ich weiß, dass er selbst diese Hunde züchtet, wie heißen die noch gleich? Irische … irische …«
    »Irische Wolfshunde.«
    »Genau. Sehr liebenswerte Hunde. Aber er hat meinen Rat nicht befolgt. Hat nie mit Sven gesprochen. Hat er sich denn irgendwelche anderen Hunde angeschafft?«
    »Ja, er besitzt einen, und der ist ganz und gar nicht liebenswert, sondern eher von der blutrünstigen Sorte. Meine 79

    Frau hat Todesangst vor ihm. Aber als Wachhund ist er sicher sehr effektiv.«
    »Was Sie nicht sagen. Aber wissen Sie, komischerweise mochte Nisse ihn auch nicht.«
    »Wen? Nygren?«
    »Er sagt, dass der Hof heruntergewirtschaftet wird. Aber man weiß ja auch, wie Nisse ist. Er hat doch an keinem der Eigentümer ein gutes Haar gelassen. Ich frage mich, ob es überhaupt jemanden gibt, den er leiden kann.« Astrid stieß einen leisen Seufzer aus.
    »Auf mich hat Nygren jedenfalls einen netten Eindruck gemacht. Ich dachte, er würde sicher ab und zu bei mir vorbeischauen, aber er hat sich nie wieder blicken lassen.
    Wahrscheinlich haben Sie Recht, und er hat auf dem großen Hof einfach sehr viel um die Ohren. Gibt es denn eine Frau Nygren?«
    »Nicht dass ich wüsste. Er scheint allein zu leben.«
    »Wie schade. Das kann für einen Mann nicht einfach sein, so ganz allein zu leben. Keinen zu haben, der einem das Essen kocht. Dann muss er sich damit auch noch herumplagen.«
    »Vielleicht kocht er gern.«
    »Ja, wer weiß. Es soll ja Männer geben, denen das Spaß macht. Per hat sich nie darum gekümmert. War ganz unglücklich, wenn ich einmal eine Zeit lang fort musste. Nein, hier rede und rede ich … Sie haben doch sicher noch andere Dinge zu tun. Außerdem bekommen Sie doch Besuch zum Essen. Ich schlage das Eis doppelt in Packpapier ein, dann hält es sich, wenn Sie sich beeilen.«
    PM zahlte und eilte aus dem Laden, ehe Astrid noch weitere Gesprächsthemen einfielen. Er stieg auf sein Fahrrad und stieß einen Seufzer aus. Er wusste selbst nicht, ob er erleichtert war, weil sie ihm keine Vorwürfe wegen seiner seltenen Besuche 80

    gemacht hatte, oder weil sie nicht mehr dazu gekommen war, alle Einzelheiten im Leben ihrer zahlreichen Nachkommen zu schildern. Jetzt hatte er einen beschwerlichen Heimweg vor sich, mit vielen Steigungen und zwei schweren Tüten am Lenker. Er stellte sich auf die Pedale und nahm den ersten Hügel in Angriff.
    81

    9
    Am selben Tag
    Rolf Stenberg fuhr in gemächlichem Tempo, fest entschlossen, die unverhoffte Abwechslung eines Landausflugs nach Kräften zu genießen. Mit Verwunderung nahm er zur Kenntnis, dass der Frühling sich in fortgeschrittenem Stadium befand. Bald würde der Sommer da sein und mit ihm all die lästigen Pflichten gegenüber seiner Familie.
    Der von Anemonen übersäte Buchenwald schimmerte nie so grün wie zu dieser Zeit. Doch hätte er diese Pracht ebenso gut in einer gut gemachten Fernsehreportage bewundern können. Die Eindrücke flimmerten duftlos an ihm vorüber wie die Bilder auf einer Mattscheibe. Warum hielt er nicht an und setzte sich zwischen die Anemonen, atmete tief durch und ließ die Natur auf sich wirken? Weil Hauptkommissar Stenberg, wie üblich, keine Zeit hatte. PM erwartete ihn um vier Uhr. Er würde sich ohnehin verspäten.
    Er hatte ein

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