Der leiseste Verdacht
dass Nisse sich darüber aufregt. Er hat mit Schweinen mehr als vierzig Jahre Erfahrung, und da kommt plötzlich so ein junger Schnösel daher und will ihm vorschreiben, was er zu tun hat.«
»Ich glaube gar nicht, dass Marco so jung ist. Ich denke, er ist über fünfunddreißig. Außerdem macht er einen energischen und intelligenten Eindruck. Er wird sicher schnell dazulernen. Nisse ist schon in Ordnung, aber mit Marco kann man viel besser reden.«
Katharina lachte. »Außerdem sieht er viel besser aus.«
PM sah seine Frau forschend an. »Du scheinst eine Schwäche für Marco zu haben.«
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»Ist schon ein ziemlich attraktiver Kerl«, sagte sie. »Gib zu, dass er Reklame für Zahnpasta, Haarshampoo oder exklusive Krawatten machen könnte.«
»Zugegeben, aber was kann er schon dafür? Jedenfalls ist es praktisch, einen Vorarbeiter zu haben, der auf dem Hof wohnt, im Gegensatz zu Nisse. Was hat Marco eigentlich gemacht, bevor er hierher kam?«
»Er hat mit Annika in Stockholm gewohnt und war Fernfahrer.
Ist für irgendeine Spedition durch ganz Europa gefahren. Muss eine ziemlich anstrengende Zeit gewesen sein. Schließlich hatte er keine Lust mehr und wollte auf dem Land wohnen. Im Gegensatz zu Annika, die am liebsten nach Stockholm zurückziehen würde.«
PM nahm die Kaminzange und rückte die Holzscheite zurecht.
Seine Gedanken kreisten erneut um das Gespräch mit Roffe, und er spürte, wie die Unruhe wieder von ihm Besitz ergriff.
»Aha«, sagte er geistesabwesend.
»Ich kann das gut verstehen«, fuhr Katharina fort. »Sie gehört einfach nicht auf einen Bauernhof. Sieh sie doch an, wie sie mit engem Rock und hochhackigen Schuhen hinter Marco her stöckelt, wenn er die Schweine füttert. Die Dinge, auf die man normalerweise Wert legt, wenn man auf dem Land lebt, interessieren sie alle nicht. Was ist los mit dir? Du hörst ja gar nicht zu.«
PM zuckte zusammen.
»Entschuldige, fast wäre ich eingeschlafen. Was hast du gesagt? Ach, natürlich, Annika. Was interessiert sie denn?«
»Sie scheint nur Augen für Marco zu haben. Sie vergöttert ihn regelrecht. Natürlich hat sie das nicht gesagt, aber man sieht es ihr an. Ich glaube, sie würde mit ihm auch auf einer Müllhalde wohnen. Sie muss ziemlich einsam sein. Vielleicht sollte ich mal mit ihr Kaffee trinken, oder meinst du, wir sollten sie lieber zusammen zum Essen einladen?«
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»Ja …?«
Katharina beugte sich vor und klopfte ihm an die Stirn.
»Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«
PM stellte sein leeres Glas auf den Kaminsims. Der Whisky hatte seine Fantasie beflügelt. Er ließ sich erschöpft in den Sessel zurücksinken und warf seiner Frau einen unsicheren Blick zu.
»Glaubst du, ich könnte einen Menschen erschlagen?«
Sie sah ihn forschend an, streckte die Beine aus und legte die Füße in seinen Schoß.
»Was für eine seltsame Frage. Ich weiß es nicht. Aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Eigentlich kannst du doch keiner Fliege was zu Leide tun. Warum?«
»Alle kennen doch meine Wutausbrüche.«
Katharina lachte. »Denkst du an einen bestimmten Menschen, den du gern ins Jenseits befördern möchtest?«
»Ich weiß nicht, wozu ich imstande gewesen wäre, hätte ich Axel in meiner größten Wut in die Finger bekommen.«
»Ich denke, du hättest ihn ziemlich vermöbelt, hättest aber auch darauf geachtet, ihn nicht ernsthaft zu verletzen.«
PM beugte sich vor und legte ein paar Holzscheite ins Feuer.
»Du hältst es also für unwahrscheinlich, dass ich ihn erschlagen und in Nygrens Jauchegrube geworfen habe?«
Katharina kicherte. »Was für ein absurder Gedanke. Obwohl es zeitlich genau hinkäme. Axel ist ja wirklich seit Monaten spurlos verschwunden. Ich sehe schon die Schlagzeile vor mir:
›Rasender Künstler wirft ermordeten Galeristen in Jauchegrube.‹
Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse.«
Als er nichts entgegnete, fuhr sie irritiert fort: »Was ist eigentlich los mit dir? Setzt dir die Geschichte mit Axel schon wieder so zu? Du musst endlich einen Schlussstrich unter etwas 67
ziehen, das sich nicht mehr ändern lässt. Es gibt wichtigere Dinge im Leben.«
Ein lang gezogenes Maunzen ließ beide aufhorchen. Katharina ging zur Haustür und ließ die gelb getigerte Katze herein, die sofort in Richtung Kamin tippelte und auf Katharinas Sessel sprang. Katharina nahm sie in den Schoß. PM beugte sich vor und streichelte ihr sanft über den Rücken.
»Wie dick sie geworden ist«, sagte er.
»Weißt
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