Der leiseste Verdacht
hatte riesiges Glück, dass Roffe mit den Ermittlungen betraut worden war. Roffe war ein verlässlicher Freund, der wusste, wie wichtig es war, Katharina aus der Sache herauszuhalten. Seinen schlechten Nachrichten sah er gefasst entgegen. Damit hatte er gerechnet. Wenn nur Katharina nichts zu Ohren kam.
Als er auf der Höhe von Knigarp angelangt war, wurde seine Atmung automatisch flacher. Er trat kräftig in die Pedalen, um möglichst schnell die Schweineställe mit ihren penetranten und wenig balsamischen Gerüchen hinter sich zu lassen.
Er benötigte ungefähr eine Viertelstunde, um nach Äsperöd zu radeln. Eine Viertelstunde, die er genoss. Wie merkwürdig, dass er das nicht öfter tat. Merkwürdig überhaupt, dass er nicht öfter das Fahrrad benutzte.
Allerdings suchte er Astrid Enokssons Dorfladen nicht ohne schlechtes Gewissen auf. Er hatte sich seit Monaten dort nicht mehr blicken lassen. Bis vor ein paar Jahren hatten Katharina und er dort regelmäßig eingekauft, durchdrungen von der Überzeugung, wie wichtig es war, einen kleinen, ländlichen Tante-Emma-Laden zu unterstützen. Doch schließlich waren auch sie der Bequemlichkeit erlegen, ihre Besorgungen in der Stadt zu erledigen, wo es eine größere Auswahl gab und die Preise oft niedriger waren. Für Katharina ließ es sich gut 71
einrichten, nach Feierabend in der Stadt einzukaufen und mehrmals in der Woche mit einer größeren Wagenladung nach Hause zu kommen. Außerdem lag das Dorf in der
entgegengesetzten Richtung. Dorthin gelangten sie ohnehin selten, und so kam es, dass er Astrid Enoksson nur mehr mit einem Besuch beehrte, wenn er zufällig entdeckte, dass er keinen Tabak mehr hatte oder die Milchvorräte erschöpft waren.
Er lehnte sein Fahrrad neben dem Laden an die Hauswand und überlegte, ob er es abschließen sollte, obwohl weit und breit kein Mensch zu sehen war. Der Ort machte wie üblich einen nahezu gespenstisch verlassenen Eindruck. Er kam sich albern vor, aber er musste das Fahrrad einfach abschließen. Es war schließlich eine gut erhaltene Antiquität.
Das Glöckchen bimmelte, als er die Tür öffnete. Sofort erblickte er Astrid Enokssons kleine, gedrungene Gestalt. Sie begrüßte ihn überschwänglich.
»Nein, so eine Überraschung! Ist das wirklich Patrik der Maler, der sich bei diesem herrlichen Wetter die Ehre gibt?«
Sie warf einen Blick aus dem Fenster und registrierte sofort, dass der Wagen nicht da war.
»Sind Sie etwa zu Fuß gekommen?«
»Nein, mit dem Fahrrad. Das sollte ich öfter machen. Ich bin wirklich berauscht von all den Düften und Farben. Wie geht es Ihnen? Ich hoffe, es ist alles in Ordnung.«
Sie schaute ihn wohlwollend an und richtete kokett ihre unverwüstliche Dauerwelle.
»Ich kann nicht klagen«, sagte sie. »Das ist doch wirklich die schönste Zeit im ganzen Jahr. Und jetzt haben wir auch noch so wundervolles Wetter bekommen. Wollen wir hoffen, dass es sich hält.«
»Und Ihrem Enkelkind geht es gut?«
»Ich habe ein zweites bekommen«, sagte sie voller Stolz.
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»Anna hat letzte Woche einen Jungen zur Welt gebracht.«
PM machte große Augen. »Wie schön zu hören. Ich
gratuliere.«
Astrid seufzte selig auf. »Ja, es ist eine große Freude«, sagte sie, »obwohl man sich manchmal ziemlich alt vorkommt. Ehe man sich’s versieht, sind die kleinen Bengel schon erwachsen.
Wollen Sie Tabak kaufen?«
»Das auch, aber vor allem brauche ich ein paar Eier. Haben Sie welche?«
Astrid sah ihn vorwurfsvoll an. »Aber natürlich habe ich Eier.
Ganz frisch hereingekommen. So frisch kriegt man sie in der Stadt nur selten. Wie viele dürfen es sein?«
»Äh, sechs Stück ungefähr. Oder wie viele sind in einem Karton?«
»Zehn.«
»Dann nehme ich zehn.«
Sie stellte den Eierkarton auf die Ladentheke. »Wie geht es Ihrer Frau und Ihrer Tochter? Ihre Frau hat wahrscheinlich wie immer viel um die Ohren.«
»Ja, sie arbeitet immer noch in der Stadtbibliothek.«
»Und besucht sie noch so viele Kurse wie früher?«
»Nein, nur noch einen pro Woche.«
»Das ist gut. Man muss doch auch ein bisschen Zeit für sich selbst haben.« Mit schelmischem Lächeln fügte sie hinzu: »Und für seinen Mann natürlich, sonst kommt der noch auf dumme Gedanken.«
PM lachte. »Ja, ein bisschen Zeit hat sie auch für mich übrig, aber das birgt natürlich gewisse Risiken.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dann hat sie mehr Zeit, mich zu kontrollieren und mit Arbeitsaufträgen zu versorgen.«
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»Das ist bestimmt
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