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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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nichts mehr zu retten. »Du hattest recht«, sagte er zu Adela. »Markgraf Waldemar ist tot.«
    Im Jahre 1098 beschloß der heilige Robert von Molesme, aus Protest gegen die verderbten Sitten der Benediktiner einen neuen Orden zu gründen. Da er in der burgundischen Stadt Cîteaux lebte, die bei den gebildeten Mönchen den lateinischen Namen Cistercium trug, hießen seine weißgewandeten Ordensbrüder Zisterzienser. Weiß waren ihre Kutten deswegen, weil die ursprünglich schwarze Kutte des zweiten Abtes von Cîteaux, Alberich, unter der Berührung der Mutter Gottes weiß geworden war, wie man sagte.
    Das Gelübde der Zisterzienser verlangte nicht nur Armut, Keuschheit und Gehorsam, sondern auch Fleiß: Gottes Wort sollte mit Axt und Spaten verkündet werden – ora et labora. Mit diesem modernen Slogan traten die Zisterzienser ihren Siegeszug an und erreichten Ende des 12. Jahrhunderts auch Brandenburg, wo sie 1183 das erste Kloster gründeten: Lehnin. Weitere folgten. In den Jahren 1273 bis 1334 wurde Kloster Chorin erbaut – ein Vorhaben, für das sich Markgraf Waldemar sehr erwärmt hatte.
    Seit 1258 genossen die Zisterzienser in den Landen der Askanier volle Zollfreiheit. Die fleißigen Mönche nutzten diese Gunst, indem sie große Reichtümer anhäuften, sich die umliegenden Dörfer einverleibten und dem hanseatischen Getreidehandel beitraten. Kein Wunder, daß die Kreuzgänge des Klosters Chorin ganz besonders wuchtig ausfielen: Der Backsteinbau kündete von großer Glaubenskraft.
    Hier nun im Choriner Mittelschiff, wo die Spitzbogen hoch zum Himmel strebten, saßen die Trauergäste, um vom letzten Askanier Abschied zu nehmen, dem Markgrafen Waldemar, geboren 1281 als Sohn des Markgrafen Konrad und seiner Frau Constantia von Polen, regierender Fürst in der Mark Brandenburg seit 1303, vom Jahre 1309 an verheiratet mit Agnes, ebenfalls einer Askanierin. Das Fürstenhaus Askanien hatte seit 1123 mit Albrecht dem Bären die Geschicke Brandenburgs bestimmt, 1170 war ihm Otto I. gefolgt, sodann in nicht abreißender Kette Otto II., Albrecht II., Johann I., Otto IV. mit dem Pfeil und schließlich Konrad, der 1304 gestorben war und die Regierungsgewalt seinen drei Söhnen übertragen hatte: Johann IV., Otto VII. und eben Waldemar, der nach dem Tode seiner beiden Brüder die Alleinherrschaft angetreten hatte und alsbald den Ehrentitel ›Waldemar der Große‹ tragen sollte. Die meisten Askanier waren hier in Chorin beigesetzt.
    Man schrieb den 24. August 1319. Nach einer neuntägigen Aufbahrung hatte man den Toten einbalsamiert und von Bärwalde aus in einem großen Leichenzuge über die Oder nach Chorin gebracht, wo sich eine Vielzahl von Adligen versammelt hatte, so unter anderen der Bischof Heinrich von Havelberg, die Truchsesse Graf Günther von Käfernburg und Lüchow, Droiseke von Kröcher und Johann von Blankenburg, der Marschall Redekin von Redern, Wedego von Wedel, Heinrich von Kröcher, die Pröpste Eberhard aus Berlin und Walter aus Pasewalk, der Kaplan und Notar Hermann von Lüchow, Heinrich von Steglitz und Hans von Lüddecke. Allen voran natürlich Agnes, Waldemars Witwe, gerade erst zweiundzwanzig Jahre alt.
    Hinten an der Wand lehnten der Ritter Hans Lüddecke und der Ratsherr Andreas Grote, beide aus Gransee.
    »Welch ein Verlust für uns«, sagte Andreas Grote und wischte sich verstohlen eine Träne aus den Augen.
    »Welch ein Gewinn für uns«, knurrte Hans Lüddecke. »Er ist mir zu mächtig geworden.«
    Die Totenrede hielt Propst Nikolaus von Bernau, der Hofkaplan Waldemars zu Spandau, den er vor zwei Jahren beim Begräbnis seines Bruders Johann liebgewonnen hatte.
    »Wir blicken auf die sterbliche Hülle des Markgrafen Waldemar und lesen im Buche des Propheten Jesaja im zweiundvierzigsten Kapitel: ›Siehe, das ist mein Knecht – ich erhalte ihn – und mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht matt werden noch verzagen, bis daß er auf Erden das Recht anrichte; und die Inseln werden auf sein Gesetz warten.‹ So spricht Gott, der Herr, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk, so darauf ist, den Odem gibt und den Geist denen, die darauf gehen: Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und habe dich bei deiner Hand gefaßt und habe dich behütet …«

 

    KAPITEL 2
    1325 – Avignon, Terra Transoderana und Schloß

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