Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Bus Nach Woodstock

Der Letzte Bus Nach Woodstock

Titel: Der Letzte Bus Nach Woodstock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Donnerstag vormittags, das heißt, also auch am Donnerstag, dem 30. Sie mußte sich jedesmal bei der Schwester in der Unfallambulanz melden – bei Sue Widdowson.« Der Regen klatschte gegen die Scheiben, und Lewis schloß das Fenster. Morse starrte einen Augenblick gedankenverloren auf den naßglänzenden Asphalt des Hofes, bevor er sich einen Ruck gab und fortfuhr: »Aber kehren wir noch einmal zurück zu Jennifer Coleby. Der Brief, den sie im Büro erhalten hatte, stammte, wie inzwischen zweifelsfrei feststeht, von Crowther. Er war zwar an sie adressiert, aber nicht an sie gerichtet. Sie war nur eine Art Bote. Als ich Sie Freitag zu ihr schickte, wollte ich von ihr wissen, ob Crowthers Brief für Sue Widdowson bestimmt gewesen sei. Sie hat mir das bestätigt. Ach, Lewis, wenn Sie wüßten, wie sehr ich die Antwort gefürchtet habe …«
    Regenböen peitschten den Hof. Draußen herrschte Finsternis wie vor einem Weltuntergang. Hinter den anderen Fenstern flammte Licht auf, doch in Morses Büro stand niemand auf, um an den Schalter zu gehen. »Meine ursprüngliche Annahme, daß Jennifer Coleby unsere Miss X sei, ließ sich nach der negativ verlaufenen Gegenüberstellung mit Crowther nicht mehr halten. Und obwohl ich zu dieser Zeit noch davon überzeugt war, daß ihr Auto an dem Abend wegen einer Panne nicht zur Verfugung gestanden hatte, sie also sehr wohl darauf hätte angewiesen sein können zu trampen, begann ich nun neue Überlegungen anzustellen. Inzwischen weiß ich, daß Jennifer Coleby ihren Fiat am 29. benutzen konnte und auch tatsächlich benutzt hat. Sie war mit Palmer an dem Abend verabredet, und der hat es mir Freitag gesagt.
    Aber das war nun schon nicht mehr so wichtig. Ich hatte die Idee, daß Jennifer Miss X sein könnte, zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben. Woran ich jedoch festhielt, war, daß eines der beiden Mädchen, die Crowther mitgenommen hatte, seine Geliebte war und daß die Botschaft, die er in seinem Brief versteckt hatte, ihr galt. Versetzen wir uns doch einmal in seine Lage. Er muß große Angst gehabt haben. Sylvia Kaye war, als er sich am Mittwochabend von ihr getrennt hatte, gesund und munter gewesen. Am nächsten Tag erfährt er aus der Zeitung, sie sei ermordet worden. Und zwar nicht irgendwo, sondern genau dort, wo er sie verlassen hat – im Hof des Black Prince . Er beginnt fieberhaft zu überlegen. Wenn nun Sue Widdowson zur Polizei geht, um zu erzählen, daß sie mit Sylvia Kaye zusammen getrampt sei? Ist ihr klar, daß sie seinen Namen unbedingt aus allem heraushalten muß? Es stand zuviel für ihn auf dem Spiel, als daß er ruhig hätte abwarten können. Denn, hatte die Polizei erst einmal seinen Namen und lud ihn zur Aussage vor, bestand nicht nur die Gefahr, daß seine heimliche Liebesbeziehung ans Tageslicht kam, möglicherweise würde er sogar unter Mordverdacht geraten und hätte damit die Polizei im Haus. Das aber kam in seinen Augen einer Katastrophe gleich, da dann unweigerlich auch Margaret vernommen worden wäre, die er für die wirkliche Täterin hielt. Er mußte ganz sicher gehen, daß Sue schwieg. Also schrieb er ihr.«
    Lewis runzelte die Stirn. Er schien nicht recht zufrieden. Morse nickte. »Ich weiß, Lewis, ich weiß. Warum dann nicht gleich an sie, sondern an Jennifer?«
    »Warum überhaupt ein Brief? Er hätte doch Sue Widdowson einfach anrufen können.«
    »Das kann ich Ihnen erklären. Wenn er sie hätte anrufen wollen, so hätte es zwei Möglichkeiten gegeben. Zu Hause oder im Krankenhaus. Nun war das, was er ihr mitzuteilen hatte, ganz und gar nicht für andere Ohren bestimmt. Er konnte aber nie sicher sein, daß Sue allein war und ungestört sprechen konnte. Selbst wenn man ein Telefongespräch nur halb mitbekommt, lassen sich daraus unter Umständen eine Menge Rückschlüsse ziehen.«
    Es klopfte an die Tür, und ein junges Mädchen trat ein, grüßte und legte ihm schwungvoll seine Post auf den Schreibtisch.
    »Scheußliches Wetter«, bemerkte sie.
    »Ja«, sagte Morse.
    »Aber es soll bald wieder aufklaren.« Sie lächelte ihn beim Hinausgehen strahlend an, und Morse nickte ihr freundlich zu. Es tröstete ihn zu wissen, daß das Leben um ihn her weiterging. Er sah aus dem Fenster; der Regen ließ nach. Vielleicht hatte sie recht. Der Himmel sah schon etwas heller aus …
    »Und warum hat er sie nicht im Krankenhaus angerufen?«
    Morse zuckte etwas zusammen. »Entschuldigen Sie, Lewis, ja – also warum rief er nicht dort an? Die Antwort darauf

Weitere Kostenlose Bücher