Der letzte Elf
endeten in winzigen Aschewirbeln, die über den Boden tanzten, zusammen mit dem, was von der Kunst des Baus von Sonnenuhren übrig war. In den kommenden Jahrhunderten würde die Menschheit nicht einmal mehr die Uhrzeit wissen, und sogar die einfachste Berechnung eines Kometen oder einer Sonnenfinsternis würde ein aufwendiges Unterfangen sein.
Yorsch setzte sich auf den Boden. Der kleine Drache lächelte wieder. Er hatte noch fast keine Zähne, und seine Augen strahlten noch mehr, wenn er lächelte. Der Kleine legte seinen Kopf in Yorschs Schoß und schlief auf der Stelle ein, völlig erschöpft.
Frieden.
Yorschs rechte Hand brannte. Auch die Stirn war vom Feuer gestreift worden.
Er versuchte, rasch einen Plan der Dinge zu aufzustellen, die in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit erledigt werden mussten. Alle Bücher und Pergamentrollen in den mittleren Raum schaffen, damit sie sowohl vor dem kleinen Drachen als auch vor Unwetter sicher waren. Genauso dringend: Er würde Bergarnika suchen müssen, Eisenhut und roten Fingerhut und einen Weg finden, den kleinen Drachen zum Inhalieren zu bewegen, um ihn, nun wie soll man sagen, etwas umgänglicher zu machen. Er konnte von Glück sagen, Bergarnika ist auch zur Behandlung von Verbrennungen gut. Er würde sie überall anpflanzen müssen. Mit vorsichtigen Bewegungen, um den Kleinen nicht zu stören, der in seinem Schoß schlief, streckte Yorsch sich am Boden der Höhle so lang wie möglich aus und fasste mit der linken Hand, der einzigen, die funktionstüchtig war, nach seinem Lehrbuch der Drachenkunde, augenblicklich dem wichtigsten Buch in der ganzen Bibliothek.
Gänseblümchen? Eine Wiese voller Gänseblümchen bedeckte den Boden der Höhle.
Etliche wichtige Informationen über Drachen kamen in dem Lehrbuch nicht vor.
Auch die Tatsache, dass die Träume eines kleinen Drachen, wenn er glücklich ist, Wirklichkeit werden, war nicht erwähnt.
Oder vielleicht war es erwähnt, aber es war vom Schimmel zerfressen.
KAPITEL 5
S eit dem Morgen arbeiteten sie im Weinberg, die schönste Arbeit der Welt. Es war einfach nicht möglich, die Weintrauben am Rebstock oder die Beeren an der Traube zu zählen. Die Kinder mussten ununterbrochen singen, um zu beweisen, dass sie nichts im Mund hatten, aber es war unmöglich festzustellen, ob eine Stimme ausfiel. Unausgesetzt erklangen die Töne von
… alle lieben wir den Richter,
wir vertrauen ihm,
wir danken ihm,
dass er uns liiiiiiiiebt ...
zwischen den Reihen der Rebstöcke. Die Kinder hatten gelernt, abwechselnd zu essen, immer nur eines auf einmal, dasjenige, das am weitesten von Tracarna entfernt war, die unentwegt zwischen den Rebstöcken auf und ab lief, während Stramazzo unten am Fuß des Weinbergs im Schatten eines Feigenbaums schnarchte. Im Schlaf klappte ihm der Mund auf, Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln in den grauen Bart, doch sogar in dieser Pose sah er weniger dumm aus als im Wachzustand.
Nicht einmal Creschio und Moron stellten eine Gefahr dar, zu sehr waren sie damit beschäftigt, sich selbst den Mund vollzustopfen.
Die Sonne schien. Der Sommer war trocken gewesen, die Trauben waren großartig. In der Ferne auf den Schattenbergen glänzte schon der erste Schnee. Es hieß, dass jenseits der Schattenberge das Meer sei, eine Art riesiger Fluss, der überhaupt kein Ende mehr nimmt und sich nach allen Seiten bis zum Horizont hin ausbreitet, der ihn vom Himmel scheidet. Robi dachte an ihren Vater, der immer erzählt hatte, früher oder später würde er sie mitnehmen und ihr das Meer zeigen, denn freie Wesen zieht es unwiderstehlich an solche Orte, wo nichts den Horizont verstellt und wo sich Himmel und Erde an der Linie des Horizonts berühren.
Iomir war in Robis Nähe, auch sie machte einen nahezu fröhlichen Eindruck, zwischen einer Traubenbeere und der nächsten grölte sie aus Leibeskräften
dass er uns liiiiiiebt ...
Dann erstarrte ihr Gesicht plötzlich, sie schlug die Hand vor den Mund und beinah wäre ihr die eben gepflückte Traube aus der Hand gefallen. Nacheinander zeichneten sich auf ihrem Gesicht das größte Erstaunen der Welt, die größte Freude der Welt, das tiefste Unglück der Welt, die größte Angst der Welt, das größte Entsetzen der Welt ab. Robi drehte sich um, folgte Iomirs Blick und sah, wie sich ein Schatten zwischen den Rebstöcken niederduckte. Sofort war ihr klar: Iomirs Vater oder Mutter, vielleicht auch beide, waren gekommen, um ihre Tochter zu holen, und die Kleine kam
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