Der letzte Exfreund meines Lebens
begeistert«, stellte Lorcan lachend fest.
»Tut mir leid. Das ist wirklich eine tolle Neuigkeit, ich bin einfach überrascht. Schließlich kennt ihr euch noch nicht lange.«
»Du bist so ungefähr die Zehnte, die das sagt.« Lorcan stieß einen tragischen Seufzer aus.
»Das war wirklich nicht kritisch gemeint – du weißt, wie gern ich Carmen mag. Gratuliere, ich freue mich echt für euch.« Sie versuchte, es klingen zu lassen, als ob sie lächelte, doch ihre Miene blieb vollkommen starr. Gott sei Dank konnte ihr Bruder sie nicht sehen.
»Danke.«
Sie freute sich wirklich für die beiden – weshalb also hatte sie dann das Gefühl, sie würde jeden Augenblick in Tränen ausbrechen?
»Komm einfach, wenn du fertig bist. Wir sind in der Horseshoe Bar. Und bring auch Freddie mit.«
Während sie sich, beladen mit Paketen und schweren Herzens, heimwärts schleppte, kämpfte sie noch immer mit den Tränen. Was zum Teufel war nur mit ihr los? Warum hatte Lorcans Nachricht sie so aufgewühlt? Wieso konnte sie sich nicht ganz einfach für ihn freuen? Tief in ihrem Inneren wusste sie, warum. Es war, weil sie eifersüchtig war – eifersüchtig, weil nicht sie kurz vor der Hochzeit stand. Dadurch wurde ihr Gefühl verstärkt, dass sie ungeliebt und einsam war.
Oh, reg dich ab!, ermahnte sie sich schlecht gelaunt. Schließlich geht’s bei dieser Sache nicht um dich. Und es
laufen ja jede Menge ungebundener junger Männer draußen rum. Sie war es einfach leid, traurig und verletzt zu sein, und wollte nicht als hoffnungslos verbitterte, vertrocknete alte Jungfer enden, die vor lauter Neid auf das Glück der anderen verging. Als sie den Meetinghouse Square erreichte, war dort eine riesengroße Leinwand aufgestellt, und sie blieb kurz stehen. Es wurde gerade Die große Liebe nebenan gezeigt, und Judy Garland sang Have Yourself a Merry Little Christmas , wobei ihre Stimme wie ein warmer Trost durch die kalte Luft des Abends drang. Vor der Leinwand auf dem Platz waren Stühle aufgestellt, aber nur sehr wenige hielten der Kälte lange stand. Ein paar kleine Zweier- oder Dreiergruppen kauerten im Dunkeln und hatten sich in dicke Decken eingehüllt. Dankbar für die kurze Rast sank auch Kate auf einen Stuhl und stellte ihre Taschen ab. Aus irgendeinem Grund empfand sie es als tröstlich, sich einen Film anzuschauen, den sie schon so oft gesehen hatte, und gebannt verfolgte sie, wie Judy Garland sich bemühte, Margaret O’Brian, aus deren feucht glänzenden Augen dicke Tränen kullerten, davon zu überzeugen, dass ein Ende ihres Elends absehbar war.
Das glaubst du doch selbst nicht, Judy!, dachte Kate und wischte sich die Tränen, die inzwischen über ihre eigenen Wangen rannen, fort. Als Eigentherapie schluchzte sie sich im Schutz des dunklen Platzes erst einmal die Seele aus dem Leib, denn wenn sie jetzt in aller Ruhe heulte, würde sie es vielleicht schaffen, auf der Feier ihres Bruders irgendwie normal und fröhlich auszusehen.
»Du warst offenbar erfolgreich«, stellte Freddie fest, als sie schwer beladen in die Wohnung kam.
»Es ist ganz gut gelaufen«, antwortete Kate und legte ihren Mantel, ihren Schal und die Handschuhe ab. »Obwohl ich bisher nicht mal die Hälfte habe.«
»Alles in Ordnung?«, fragte er, nachdem sie sich ermattet neben ihm aufs Sofa fallen gelassen hatte.
»Alles okay. Gott, draußen ist es wirklich bitterkalt.« Sie blies sich die kalten Hände warm.
»Du siehst aus, als hättest du geweint.« Freddie bedachte sie mit einem argwöhnischen Blick.
»Oh, auf dem Platz haben sie Die große Liebe nebenan gezeigt, und ich habe kurz geguckt. Bei dem Film breche ich ganz einfach jedes Mal in Tränen aus.«
»Oh, ich auch. Warum ziehst du nicht deinen Pyjama an, und wir hauen uns zusammen vor den Fernseher? Zum Abendessen gibt es Mini-Krabbentörtchen, Speckpflaumen, Seezungenhappen und Mini-Quiches«, verkündete ihr Mitbewohner und stand auf. »Hiermit erkläre ich die Kanapee-Saison als offiziell eröffnet.«
Da sie wegen allzu vieler Weihnachtsfeiern und des Einkaufs zahlloser Geschenke im Dezember regelmäßig pleite waren, lebten sie in dieser Zeit traditionsgemäß von den Resten von Kates Jobs und den kostenlosen Sachen, die es auf diversen Partys gab.
»Den Fernsehabend müssen wir leider verschieben«, klärte Kate den Freund mit Grabesstimme auf.
»Oh, gehst du noch aus?«
»Ja, und zwar mit dir. Lorcan möchte, dass wir noch ins Shelbourne kommen.« Sie bemühte sich um einen
Weitere Kostenlose Bücher