Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
schleppt er ihn aus dem Kino, niemand bemerkt es, niemanden interessiert’s, und bringt ihn zum McDonald’s, um ihn in der Toilette zu erhängen.
McConnell legt dem Verdächtigen die Handschellen an, und ich führe ihn am Oberarm zum Fahrstuhl. Fenton folgt uns, und wir fahren schweigend nach oben: Pathologin, Mörder, Cop, Cop.
»Heilige Scheiße«, sagt Fenton, und McConnell sagt: »Ich weiß.«
Ich sage nichts. Littlejohn sagt nichts.
Der Fahrstuhl hält, die Türen öffnen sich zur nach wie vor überfüllten Eingangshalle, und inmitten der Menge sitzt ein vorpubertärer Junge wartend auf einem der Sofas, und Littlejohns ganzer Körper spannt sich an, und meiner ebenfalls.
Er hatte Fenton erklärt, er könne um halb zehn in der Leichenhalle sein, um jemandem Beistand zu leisten, aber um zehn bekomme er Besuch.
Kyle blickt auf, steht auf, verblüfft und mit großen Augen, sein Vater in Handschellen, und Littlejohn kann es nicht ertragen, er wirft sich aus dem Fahrstuhl, aber ich lasse seinen Arm nicht los, sodass der Schwung seines Körpers auch mich vorwärtszieht, uns beide zusammen. Wir landen auf dem Fußboden und purzeln übereinander.
McConnell und Fenton stürmen aus der Kabine, die Eingangshalle ist voller Menschen, Ärzte und freiwillige Helferinnen, die schreiend auseinanderspritzen, als Littlejohn und ich über den Boden rollen. Littlejohn hebt den Kopf und rammt seine Stirn in meine, als ich gerade nach meiner Waffe greife, und die Wucht des Aufpralls schickt eine Schmerzexplosion in mein verletztes Auge und lässt vor dem anderen einen Himmel voller Sterne erblühen. Ich sacke auf ihm zusammen, er zappelt unter mir, McConnell schreit: »Keine Bewegung!«, und dann schreit noch jemand, eine kleine, ängstliche Stimme: »Aufhören, aufhören.« Ich schaue hoch, mein Sehvermögen kehrt allmählich zurück, und ich sage: »Okay.« Er hat meine Waffe, der Junge hat sie, meine Dienstwaffe, die SIG 229, ist genau auf mein Gesicht gerichtet.
»Verdammt«, sagt McConnell, sie hat ihre Waffe gezogen, weiß aber nicht, was sie damit machen soll. Sie zielt unsicher auf Kyle, dann auf Littlejohn und mich, die wir zusammen auf dem Boden liegen, dann wieder auf den Jungen.
»Lassen Sie ihn …« Kyle schnieft, wimmert, und ich sehe mich selbst, ich kann nicht anders, natürlich, ich war auch mal elf. »Lassen Sie ihn los.«
Herrgott .
Herrgott, Palace .
Du Niete .
Das Motiv war die ganze Zeit direkt vor meiner Nase: nicht nur Geld, sondern das, was man dafür kriegen kann. Was man für Geld kriegen kann, selbst in diesen Zeiten. Vor allem in diesen Zeiten. Und hier ist dieser ulkig aussehende Junge, das breite Lächeln, ein kleiner Prinz, der Junge, den ich am zweiten Tag meiner Ermittlungen zum ersten Mal gesehen habe, als er über eine unberührte Schneefläche stapfte.
Ich sah es in Littlejohns Augen, als er voller Zuneigung die Treppe hinaufrief und seinem Jungen sagte, er solle si ch beeilen und sich fertig machen, als er leise damit prahlte, was für eine Kanone er auf dem Eis sei.
Angenommen, in unserer gegenwärtigen unglückseligen Situation wäre ich der Vater eines Kindes; was täte ich nicht, um dieses Kind in jedem mir möglichen Maße vor der herannahenden Katastrophe zu beschützen? Je nachdem, wo das Ding runterkommt, geht die Welt entweder unter oder versinkt in Dunkelheit, und dieser Mann würde alles tun – hat schreckliche Dinge getan –, um das Leben seines Kindes im letzteren Fall zu verlängern und zu schützen. Um die Gefahren des Oktobers und der Zeit danach abzumildern.
Und nein, Sophia hätte nicht die Polizei geholt, wenn sie es erfahren hätte, aber sie hätte ihn genommen, hätte den Jungen genommen und wäre gegangen, oder zumindest war es das, was Erik Littlejohn befürchtete – dass die Mutter nicht verstanden hätte, was der Vater tat, wie wichtig es war, dass es getan werden musste , und dass sie ihm Kyle weggenommen hätte. Und was wäre dann nach der Katastrophe aus ihm – und aus ihr – geworden?
Tränen steigen dem Jungen in die Augen und strömen herab, Tränen rinnen aus Littlejohns Augen, und ich wünschte, als professioneller Detective, der gerade eine außerordentlich schwierige Verhaftung vornimmt, könnte ich behaupten, ich würde die Fassung und die Konzentration bewahren, aber nein, da sind sie, Tränen fließen mir wie ein Sturzbach übers Gesicht.
»Gib mir die Waffe, junger Mann«, sage ich. »Du solltest mir die Waffe geben. Ich bin
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