Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
Krankenhauses, vor Nervosität zuckend, einsatzbereit.
Einerseits liegt das Motiv auf der Hand: Geld. Derselbe Grund, aus dem jeder kontrollierte Substanzen stiehlt und verkauft und dann Morde begeht, um diese Aktivitäten zu vertuschen. Geld. Vor allem jetzt, starke Nachfrage, geringes Angebot, die Kosten-Nutzen-Analyse für den Drogenhandel ist aus dem Lot, jemand wird das Risiko eingehen, jemand wird ein kleines Vermögen machen.
Aber irgendetwas stimmt daran nicht. Bei diesem Mörder, bei diesen Verbrechen. Diesen Risiken. Mord und dann Doppelmord, und noch Schlimmeres als Mord, und wofür, für Geld? Das Risiko, ins Gefängnis zu wandern, hingerichtet zu werden, die wenige Zeit wegzuwerfen, die einem noch bleibt? Alles nur für Geld?
Bald werde ich sämtliche Antworten kennen. Ich werde dort hinuntergehen, der Plan wird funktionieren, und dann wird es vorbei sein. Der Gedanke, dass all dies bald vorbei sein wird, rollt über mich hinweg, unausweichlich, freudlos, kalt, und ich umklammere meine Zeitung. Peters Mörder – Naomis Mörder – steigt in den Fahrstuhl, und ein paar Sekunden später gehe ich die Treppe hinunter.
In der Leichenhalle ist es kalt. Die Autopsielampen sind aus, und es ist schummrig und still. Die Wände sind grau. Es ist, als befände man sich in einem Kühlschrank, in einem Sarg. Ich trete gerade rechtzeitig in die eisige Stille, um zu sehen, wie Erik Littlejohn Dr. Fenton die Hand schüttelt. Fenton begrüßt ihn mit einem kurzen, geschäftsmäßigen Nicken.
»Sir.«
»Guten Morgen, Doktor. Ich glaube, ich habe schon am Telefon erwähnt, dass ich um zehn Besuch bekomme, aber bis dahin bin ich Ihnen gern zu Diensten.«
»Natürlich«, sagt Fenton. »Danke.«
Littlejohns Stimme ist gedämpft, sein Ton einfühlsam und angemessen. Der Leiter des seelsorgerischen Dienstes. Der goldene Bart, die großen Augen, die Aura des Respekts. Eine hübsche, neu aussehende Jacke aus samtweichem mahagonibraunem Leder, eine goldene Uhr.
Aber Geld – eine goldene Uhr, eine neue Jacke – ist kein ausreichendes Motiv für all das, was er getan hat, für die schrecklichen Taten, die er begangen hat. Es reicht einfach nicht aus. Ich kann das nicht akzeptieren. Und es ist mir egal, was im Himmel auf uns zukommt.
Ich drücke mich in eine Ecke nah bei der Tür, der Tür, die zum Flur, zum Fahrstuhl führt.
Littlejohn dreht sich jetzt um und bedenkt Officer McConnell mit einem tiefen, respektvollen Nicken. McConnell soll ihrer Rolle gemäß trauernd aussehen, wirkt jedoch stattdessen gereizt, wahrscheinlich weil sie meine Anweisungen befolgt hat, in Rock und Bluse geschlüpft ist und eine schwarze Handtasche dabeihat. Sie trägt das Haar offen, kein Pferdeschwanz.
»Guten Morgen, Ma’am«, sagt Peter Zells Mörder. »Mein Name ist Erik. Dr. Fenton hat mich gebeten, heute Morgen dabei zu sein. Wenn ich es richtig verstehe, ist das Ihr Wunsch.«
McConnell nickt ernst und beginnt mit der kleinen Rede, die wir für sie geschrieben haben.
»Mein Mann, Dale, hat sich mit seinem alten Jagdgewehr erschossen«, sagt sie. »Ich weiß nicht, warum er das getan hat. Ich meine, ich weiß es natürlich, aber ich dachte …«, und dann tut sie so, als könnte sie nicht weitersprechen, ihre Stimme zittert und stockt, ich denke, na bitte, sehr eindrucksvoll, Officer McConnell . »Ich dachte, wir könnten den Rest gemeinsam verbringen, den Rest unserer Zeit.«
»Die Verletzung ist ziemlich schwer«, sagt Dr. Fenton, »darum waren Ms. Taylor und ich der Ansicht, dass sie vielleicht Ihren Beistand gebrauchen könnte, wenn sie die Leiche ihres Mannes zum ersten Mal sieht.«
»Natürlich«, murmelt er, »zweifelsohne.« Mein Blick wandert über seinen Körper, von oben bis unten, sucht nach der Ausbuchtung einer Schusswaffe. Falls er eine hat, ist sie gut versteckt. Ich glaube nicht, dass er eine hat.
Littlejohn lächelt McConnell mit strahlender Freundlichkeit an, legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und wendet sich an Fenton.
»Und wo«, fragt er mit sanfter, gedämpfter Stimme, »ist Ms. Taylors Gatte jetzt?«
Mein Magen krampft sich zusammen. Ich halte mir eine Hand vor den Mund, um meine Atemgeräusche zu kontrollieren, um mich zu kontrollieren.
»Hier entlang«, antwortet Fenton – und jetzt ist es so weit, dies ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte, denn nun führt sie die beiden – Littlejohn, der McConnell, die falsche Witwe, mit seiner sanften Hand dirigiert – nun führt sie
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