Der letzte Vampir
fragte Caxton. Congreve war besinnungslos und verletzt gewesen, hatte reglos auf dem Boden gelegen, und ein einziger Tropfen Blut hatte ihn wiederbelebt. Er war wie eine Dosis Adrenalin gewesen, die man direkt in sein Herz gepumpt hatte. Reyes hatte sie gefoltert und geschlagen, aber auch er hatte nie ihre Haut verletzt.
Vielleicht hatten sie genauso viel Angst vor dem Blut, wie sie danach gierten. Vielleicht machte das Blut sie verrückt. Vielleicht führte es zu Kontrollverlust.
Deannas Mund war weit aufgerissen. Im nächsten Moment rannte sie los, die Arme weit ausgestreckt, die Augen geschlossen. Sie schien beinahe durch die Luft zu fliegen. Ihre Füße berührten kaum den Boden, und sie bewegte sich mit der Geschwindigkeit eines galoppierenden Pferdes – angelockt von dem Blut.
Caxton wartete den richtigen Augenblick ab, warf sich zu Boden und rollte nach links, und Deanna schoss direkt an ihr vorbei, bewegte sich zu schnell, um einfach stehen bleiben zu können.
Die Vampirin landete in den aufrecht stehenden, zerbrochenen Scheiben, mitten in den Glasspeeren. Ihre Arme fuchtelten durch die Luft, auf der Suche nach einem Halt, um den Aufprall zu stoppen. Splitter flogen wie umherwirbelnde Schneeflocken durch die Luft.
Der Laut … der Laut war unirdisch. Ein gebrochener Schrei. Eine Million winzige klirrende Glocken.
Ein lebendiges menschliches Wesen wäre in Stücke geschnitten worden. Deanna stand langsam wieder auf, das Kleid hing in Fetzen von ihrem Körper. Ihre Haut war ein Labyrinth aus Blut, dunklem, totem Blut, das Arme und Beine hinunterströmte. Sie versuchte es mit den Händen aufzuhalten. Leckte sich wie eine Katze, um sich das verlorene Blut wieder einzuverleiben.
Es würde nicht funktionieren. »Es muss frisch sein«, sagte Caxton. »Es muss warm sein.«
Deanna schaute auf, ihre roten Augen blickten verwirrt. Sie begriff nicht, was gerade mit ihr passiert war. Dann fiel ihr Blick auf Caxtons tropfendes Handgelenk, und unwillkürlich öffnete sich ihr Mund. Sie machte einen Schritt nach vorn – und eine Scherbe bohrte sich sauber durch ihren Fuß. Sie heulte auf.
Caxton nahm die Uniformkrawatte ab und schlang sie sich um das Handgelenk, zerrte sie fest, bis es wehtat, und verknotete sie dann als Aderpresse. Jetzt noch zu verbluten wäre wirklich albern.
Sie ließ Deanna noch ein paar Schritte auf sich zugehen. Wartete ab, bis das ganze Blut aus ihrem makellosen Körper getropft war, der sich bereits wieder geheilt hatte, nun aber blasser aussah. Viel blasser. Deanna wirkte wie eine Marmorstatue. Ihre Wangen waren nicht mehr gerötet. Das Blut würde sie nicht mehr beschützen. Es wäre nett gewesen, jetzt eine voll geladene Glock zu haben, aber die scharfe Stahlstange war genauso gut. Caxton holte weit aus und trieb das spitze Ende direkt in Deannas Brust, ein kleines Stück links vom Brustbein.
Deanna kreischte und winselte und versuchte Worte zu bilden, um zu betteln, zu flehen. Vielleicht, um Lebewohl zu sagen. Caxton zog die Stange heraus und stach wieder zu. Und noch einmal. Drei Mal musste reichen, entschied sie. Das musste es einfach. Sie hatte nicht mehr die Kraft, um ihre Lebensgefährtin ein viertes Mal zu durchbohren. Ihre Arme fühlten sich wie Gummi an.
Irgendwann hörte Deanna auf, sich zu bewegen. Ihre roten Augen starrten zum Mond hinauf, ihr weißes Gesicht war völlig reglos, unberührt von Schrecken oder Schmerz oder Tod.
60.
Es war nicht einfach, aus dem zersplitterten Wintergarten zu steigen, selbst wenn man nicht von Vampiren verfolgt wurde. Aber schließlich hatte sie es geschafft und begab sich zur Vorderseite des Gebäudes. Bewegte sich leise und langsam, um nicht auf Halbtote zu treffen. Sie würde Hilfe für Arkeley holen. Das würde dann das Ende sein. Sobald er sicher auf dem Weg ins Krankenhaus war – vorausgesetzt, er war noch nicht tot –, würde der Fall offiziell abgeschlossen sein.
Vorn auf dem Rasen erwartete sie eine seltsame Überraschung – buntes Licht, das über die Bäume huschte und auf dem nassen Gras blitzte.
Licht überschwemmte sie, beleuchtete ihre Hände, ihren verletzten Unterarm. Funkelte rot, blau, gelb und weiß in ihren Augen. Nicht weniger als zwölf Streifenwagen standen kreuz und quer auf dem Rasen vor dem Sanatorium. Zwei Krankenwagen und der Granola Roller waren auch da. Captain Suzie ragte aus dem Dach des Panzerwagens, eine MP5 an der Schulter. Mit der freien Hand winkte sie Caxton heran.
Wut schoss in Caxton
Weitere Kostenlose Bücher