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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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lebte oder tot war, aber sie wollte ihn nicht berühren, konnte sich aus Angst, er würde plötzlich hochschnellen, sie packen, herunterziehen und erneut würgen, nicht überwinden, sich über ihn zu beugen.
    Sie stand dort und dachte über Callums unnatürliche Ruhe nach. Er hatte so etwas schon einmal durchgemacht, hatte vor einer Person gestanden und beschlossen, ihr das Leben zu nehmen. Sie stellte sich vor, so etwas als Zehnjährige erlebt zu haben. Der Mann, der Callum dazu gebracht hatte, das Kleinkind zu töten, hatte ihn vergewaltigt. Sie betrachtete McBree und stellte sich vor, eine solche Bedrohung laste auf ihr. Plötzlich wusste sie, dass sie an der Stelle des verängstigten zehnjährigen Callum, den Kleinen auch umgebracht hätte, um sich selbst zu retten.
    Um Zeit zu schinden, dachte sie noch einmal darüber nach, McBees Puls zu fühlen, aber es war egal, ob er noch lebte. Sie konnte sowieso keinen Krankenwagen rufen. Ihr wurde bewusst, dass sie nur darauf wartete, dass ihr die Entscheidung abgenommen wurde.
    Draußen auf der Straße polterte ein Lastwagen vorbei und die Vögel begannen zu zwitschern. Die Sonne ging auf und der Wind raschelte in den Baumkronen.
    Plötzlich dachte sie an ihren Vater, wie er im Krankenhausbett gelegen hatte, seine eingefallene Gesichtshaut war so trocken und dünn wie Reispapier gewesen. Verzweifelt hatte er sich ans Leben geklammert.
    Sie machte einen Schritt auf McBree zu, tastete seine Jackentasche mit den Zigaretten und einem Taschentuch auf der Suche nach den Autoschlüsseln ab. Mit schnellen Bewegungen nahm sie den zusätzlichen Schlafsack und sprang zum Benzinkanister. Vorsichtig hob sie ihn an, achtete darauf, sich möglichst nichts davon auf Hände oder Kleidung zu gießen, und verteilte den Treibstoff auf dem Boden um McBree herum. Als sie die schmierige Flüssigkeit um den Körper herum verschüttete, ging sie in die Hocke. Die übrig gebliebene Grillkohle lag noch auf dem Herd. Sie packte sie unter den Holztisch und warf die Grillanzünder obendrauf.
    Sie blieb noch einmal stehen, betrachtete das Arrangement auf der Suche nach Ungewöhnlichem. Im Haus war es still, der stille Morgen sickerte durch die schmutzigen Fenster, der beißende Benzingestank überlagerte den modrigen Mief. Ein animalischer Hunger malträtierte ihre Magenwände.
    Sie trat in den Morgen hinaus und zündete ein Streichholz an, ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als sie es in die Küche hielt. Ihr Daumen entfernte sich vom Zeigefinger und das Streichholz flog durch die Luft, flammte rot und blau auf, drehte sich. Sie spürte, wie ihr das gedämpfte »Whuaff« gegen das Trommelfell prallte, als die Flamme um sich schlug und sich ein lodernder Flammenteppich auf dem blutigen Fußboden ausbreitete.
    Sie beobachtete, wie die Grillanzünder unter dem Tisch fröhlich zum Leben erwachten, und nahm plötzlich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr: Die Flammen zuckten um McBrees linke Hand herum und die Finger entfalteten sich elegant, als wollten sie zur Decke gerichtet erblühen und um Gnade flehen.
    Entsetzt stürzte Paddy zur Tür. Sie packte den Knauf und knallte sie zu.

36
Kleiner
    Wieder war es passiert. Die Pastabrocken klebten aneinander, bildeten unentwirrbare Klumpen, in die keine Sauce zu dringen vermochte. Pete sah ihre Enttäuschung und blickte in den Topf. »Ich mag sie so.«
    »Die sollen aber nicht so klebrig sein. Ich hab’s wieder falsch gemacht.«
    »Nein, ich mag’s so.«
    Er versuchte sie aufzumuntern, aber das war nicht seine Aufgabe.
    »Es wird trotzdem wunderbar schmecken«, sagte sie und klang fröhlicher, als ihr zumute war, »weil du gekocht hast.«
    »Ja.« Er nickte und kletterte vom Küchenstuhl herunter. »Das kann ich gut.«
    Auf der anderen Seite der Küche begegnete ihr Mary Anns Blick, die angesichts Petes optimistischer Gelassenheit lächelte. Sie wirkte adrett und klein, nahm nie mehr Platz in Anspruch, als unbedingt nötig war. Sie lebte immer noch wie eine Nonne: stand immer noch auf, bevor die Clubgänger zu Bett gingen, und begann mit ihrem morgendlichen Gebetsreigen. Das Schlafzimmer wirkte noch spartanischer als zu den Zeiten, in denen Dub dort geschlafen hatte. Sie legte ihre Gebetsbücher und Rosenkränze auf einen Stuhl. Sie besaß drei Kleider und einen Pullover, ein bisschen Unterwäsche zum Wechseln, aber kein Make-up oder Lieblingsshampoos, Bücher oder Platten – nichts von dem Schnickschnack, der ein normales Leben begleitet.
    »Tante

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