Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
sehnt!“ Diese harten Worte gaben Anthlo zu verstehen, in
welcher Lage er sich befand und welche Folgen seine Entscheidung haben würde.
Dabei war es vollkommen egal, wie genau er sich entscheiden würde, wichtig war
nur zu wissen, dass er nicht die Chance hatte, etwas Gutes zu tun. Entweder
schadete er sich oder diesem Lichtritter. Dennoch willigte er ein: „Ihr habt
mich überzeugt. Ich werde mich auf die Suche nach dem Lichtritter machen.“ „Sehr
schön. Morgen früh werdet Ihr aufbrechen. Seid Ihr beim Sonnenuntergang nicht
zurück, dann werden wir die Legion der Ersten losschicken!“, erklärte Jasai in
feierlichem Tonfall. „Was ist die Legion der Ersten?“, fragte Anthlo
schließlich verwundert, bevor er, von ein paar Männern begleitet, nach draußen
ging. „Die ersten willenlosen Schatten, erschaffen mit Eurem Blut, mit der
einen Aufgabe, zu töten“, hallten die Worte des alten Mannes noch in seinen
Ohren, als er bereits wieder in seiner Zelle angekommen war.
Unsanft spürte er die Hände an seiner Schulter, die ihn am nächsten Tag
wachrüttelten. Er schrak hoch und blickte wieder in Jasais Gesicht, für welches
er mittlerweile keinerlei Gefühle hegte, da es in seinen Augen nicht wert war,
sich über diesen Mann aufzuregen. Ändern würde er ihn sowieso nicht, von daher
konnte es ihm egal sein. „Wenn er stirbt, wird er für alle seine Taten
schmoren, während ich selig ruhe“, dachte Anthlo, als er mit Jasai eine
steinerne Treppe hochging, die zurück in die große Halle führte, in der sein
Leben erneut begonnen hatte. Draußen vor dem Eingang des Gebäudes, sprach sein
Erwecker ein letztes Mal zu ihm: „Ich werde dich nun mit Hilfe eines Zaubers so
nah wie möglich in seine Nähe bringen. Um wieder hierher zurück zu kommen,
müsst Ihr Euch einfach auf diesen Ort konzentrieren, dann werdet Ihr umgehend
wieder hier sein. Ich erwarte Euch derweil. Seid Ihr in spätestens zwei Tagen
nicht zurück, werde ich die anderen Schatten schicken!“ Anthlo spürte, wie er
langsam jegliches Gefühl über seinen Körper verlor und sich schließlich
auflöste. Jasai betrat wieder das Innere des kapellenartigen Gebäudes, das als
Versteck für den Zirkel galt, und widmete sich der Erschaffung weiterer
Schatten und der Erweckung seines Bruders, die unmittelbar bevor stand.
Kapitel 2: Die Prüfung
Es war der zweite Oktan des sechsten Zeitalters
zweihundertachtzehn. Die Sonne stand hoch am Himmel, leuchtete mit ihren
Strahlen durch die Wipfel der Bäume des Waldes und war dabei ungewöhnlich warm.
An den Blättern war zu sehen, dass es noch vor Kurzem heftig geregnet hatte,
denn an ihren Spitzen hingen noch ein paar Regentropfen und glänzten in
schillernden Farben.
Auf der Dolansburg in Weltenbrücke, dem
mächtigsten Land des Großen Bundes und dem zweitgrößten Land von ganz Oleiphea,
ging es hoch her. An den Marktständen priesen Händler ihre Ware, von Teppichen
bis zu seltenen Gewürzen, an. Alles war in einen merkwürdigen, aber guten Duft
gehüllt. Zimtgeruch vermischte sich mit unterschiedlichen Früchten, die die
Händler aus den Ländern des Bundes importiert hatten. Durch die engen
Häusergassen liefen kleine Kinder und spielten. Auf den hohen Mauern
unterhielten sich die Soldaten, scherzten und lachten ausgelassen. Neben dem
gewaltigen Eingangsportal von Dolansburg stand die kleine Schmiede und dumpf
ertönten rhythmische Schläge eines Hammers, der gerade den heißen Stahl einer
ungefertigten Klinge traf. Nicht weit davon entfernt flogen die Pfeile von
Rekruten auf dem Übungsgelände mit einem zischenden Geräusch auf die
Zielscheibe. Doch nicht nur im Innenleben der Burg war großes Treiben, auch
außerhalb gab es viel zu tun. Die Bauern trugen ihre im Sommer angelegten
Vorräte in die Silos, sodass im nahenden Winter niemand Hunger leiden musste.
Auf den weiten Feldern ernteten andere Bauern noch ihr Obst und Gemüse. Sogar
die Vögel bereiteten sich auf den Winter vor. Die Vögel, die nicht in die
wärmeren Länder östlich von Weltenbrücke flogen, sammelten kleine Nüsse, Beeren
und was sie noch finden konnten, für den Vorrat. Diese harmonischen Bilder
waren in der Geschichte des Landes nicht immer selbstverständlich. Erst seit
einigen Jahrzehnten konnten die Bewohner den Frieden genießen. Noch einige
Jahre zuvor hatten immer Unruhen und Kriege das Land erschüttert.
In dem
runden Turm, der majestätisch in den Himmel ragte, befand sich der reich mit
Skulpturen
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