Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Abwechslung und
gab ihm Gelegenheit, sich vor seinen Pflichten zu drücken. Er stand auf und
ging zurück in die Eingangshalle, um seinen Meister zu begrüßen. Kardios war
jedoch schon in sein Kämmerchen verschwunden, in das er sich gerne zurück zog,
um Pfeife zu rauchen. Also stieg er die Wendeltreppe hinauf, die in das zweite
Stockwerk führte. Von dort aus lief er zielstrebig auf das Zimmer von Kardios
zu. Er klopfte dreimal an die schlicht gehaltene Holztür. Ein dumpfer Ruf von
Kardios zeugte davon, dass Thalon eintreten durfte. Kaum hatte er einen Fuß in
das kleine Zimmer gesetzt, schoss ihm bereits der strenge Geruch von Kardios
Pfeifenrauch entgegen. Wie erwartet saß sein Meister auf einem gemütlichen
Stuhl, den er vor Ewigkeiten einem alten Mann abgekauft hatte, und nahm einen
kräftigen Zug aus der Pfeife, die er stets wie seinen Augapfel hütete. „Verzeiht
die Störung, aber Kathleen sagte mir, dass Ihr eine Nachricht für mich habt“,
stammelte Thalon. Sein Meister stand auf und bat Thalon, sich auf den Stuhl zu
setzen. Während Kardios begann, im Raum auf und ab zu schreiten und dabei immer
wieder Rauchschwaden ausstieß, erzählte er seinem Schüler, was König Horald
gesagt hatte. Er hatte soeben seinen Bericht beendet, da flossen die Wörter der
Freude bereits aus Thalon heraus: „Meister, ich freue mich, dass Ihr mir
zutraut, die Prüfung zu bestehen. Wann machen wir uns auf den Weg zur Burg?“
„Sei nicht zu übereifrig! Ein wenig Geduld wirst du noch brauchen. Die
Prüfung ist erst morgen Mittag. Ich
werde dich also mitnehmen können, wenn ich morgens zurück zur Burg reite. Nun
geh, du musst dich ausruhen, denn du weißt ja, dass ein harter Tag auf dich
zukommt.“ Er zwinkerte seinem Schüler freundlich zu. Freudestrahlend verließ
Thalon den Raum und rannte in seiner Unachtsamkeit beinahe Kathleen um, die ihm
im Gang entgegen kam.
Die Nacht hatte er kaum geschlafen, zu
angespannt war er gewesen. Selbst, als er schließlich Schlaf gefunden hatte,
wälzte er sich unruhig im Bett. Die Sonne war noch nicht hinter dem Horizont
hervorgekommen, als Thalon erneut die Augen öffnete. Dunkle Wolken schwebten
über den Himmel und ergossen ihren Inhalt auf Weltenbrücke. Wie flüssiger
Kristall liefen die Regentropfen das matte Glas der Fensterscheibe herunter. Er
stieg aus dem Bett, was ihm heute ungewohnt leicht viel, da er sich sonst
dagegen wehrte, auch nur einen Fuß aus seinem warmen Bett auf das kalte Holz
seines Bodens zu bewegen. Nun machte er sich auf den Weg in das Waschzimmer.
Auf dem Weg dorthin begegnete er Kathleen, die ihm mit verträumten Blick ansah.
Sie trug lediglich ihr dünnes Nachtkleid und ihre Haare waren so zerzaust, dass
man meinen könnte, eine ganze Krähenfamilie hätte dort ihr Nest gebaut. Sie
schien wohl auch noch nicht sehr lange auf den Beinen zu sein. Thalon lächelte
ihr zu und sie erwiderte das Lächeln, wirkte dabei allerdings mehr wie eine
Schlafwandlerin. Als er im kleinen Waschzimmer ankam, nahm er ein ausgiebiges
Bad. Dieser symbolische Akt sollte ihn vor seiner Prüfung von allen Lasten und
Sünden befreien, sodass er gereinigt die Prüfung bestehen konnte. Während des
Badens dachte er an die armen Bauern, die zum Waschen immer an einen Bach oder
Fluss gehen mussten, während er das Wohlleben in der Residenz seines Meisters
genießen konnte. Dann versuchte er seine struppigen Haare zu bändigen, jedoch
ohne großen Erfolg. Kaum war er damit fertig, machte sich sein Magen bemerkbar.
Mit dem Knurren seines Magens hätte er sogar einen der legendären Drachen
verjagen können. Das Essen hatte Kathleen, die sich mittlerweile angekleidet
hatte, schon vorbereitet. Hastig schlang er alles hinunter und wartete auf Kardios.
Thalon kam es so vor, als sei er einen Tag lang wieder ein kleines Kind,
welches nur Freude in seinem Herzen trägt. Noch nie zuvor war er wegen einer
Sache so aufgeregt und freudig zugleich. Nun ließ sich endlich Thalons Meister
blicken. Auch er nahm ein karges Mahl zu sich, welches er mit einer
Gelassenheit tat, die Thalon beinahe aus der Fassung brachte. Anschließend
betraten sie den Stall, der an die Residenz angrenzte, und bestiegen die
Pferde.
Sie ritten durch die Landschaft von Weltenbrücke, vorbei an kleineren bereits
abgeernteten Getreidefeldern und der alten Mühle, die schon seit langer Zeit
leer stand und mehr und mehr verfiel. Thalon genoss den Duft der wenigen noch
blühenden Blumen und der Gräser, die den erdigen
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