Der Liebe Gott Macht Blau
zitterte regelrecht vor ohnmächtiger Wut, wenn er an das grenzenlose Leid der Völker der Welt dachte und daran, dass er die Dinge in keiner Weise beeinflussen konnte – abgesehen davon, dass er manchmal Weihnachtspakete an die Kinder einer Dschungelschule in Nicaragua schickte. Ein gewöhnlicher Arbeiter vermag nicht die ganze Welt zu verbessern. Ein Arbeiter ist nicht Gott.
Pirjeri verlangte von Gott Glück und alltägliches Wohl für die Menschen und Tiere. Wenn Gott Probleme hatte, die Dinge auf der Welt unmittelbar und sofort in Ordnung zu bringen, warum konnte er dann nicht zumindest denLebenden das kleine Quäntchen alltäglichen Glücks zugestehen? Was zwang ihn, jeweils die schlechteste der möglichen Alternativen zu wählen, zum Beispiel ein altes Mütterchen vom Lande auf Glatteis ausrutschen und sich den Oberschenkel brechen zu lassen? Warum fiel einem mageren Negermädchen eine Kokosnuss mit tödlicher Wucht auf den Kopf und nicht eine herrliche Bananenstaude vor die Füße? Alles war doch schließlich nur eine Frage der glücklichen Fügung.
Warum war den Menschen als lebenslange Belastung quälende Todesangst auferlegt worden? Wem nützte das? Warum mussten sich Mensch und Tier auch hierin unterscheiden? Pirjeri erklärte dem lieben Gott, dass der eigentliche Unterschied zwischen Mensch und Tier darin bestehe, dass das Tier nicht fähig sei, an den Tod zu denken, seinen eigenen also, und der Tod anderer Tiere bedeutete für ihn bestenfalls frische Nahrung.
Könnte er entscheiden, so wie Gott, würde er sich um den Weltfrieden kümmern, schwor Pirjeri. Glück und Weltfrieden, dafür würde er sorgen, und er würde den Menschen die unnötige Todesangst nehmen.
Pirjeri Ryynänen war ein tief empfindender humaner Mensch, dem die Not auf der Welt ein tägliches Sorgenthema war.
Pirjeri hatte nur wenig Freunde und keine unmittelbaren Arbeitskollegen, hoch oben in der einsamen Kranfahrerkabine knüpft man nun mal keine Kontakte. Einen guten Kumpel hatte er allerdings, den glücklosen kleinen Geschäftsmann Torsti Rahikainen, ein Mann in Pirjeris Alter. Die beiden machten oft gemeinsame Spaziergänge am Meer und philosophierten über den Lauf der Welt. Rahikainensteckte stets voller verrückter Ideen, sprudelte geradezu davon über. Er war ständig bereit, sich in neue Geschäfte zu stürzen, aber bisher hatte sich ihm noch nicht die Gelegenheit geboten, zu wirklichem Wohlstand zu gelangen. Rahikainen war ein unruhiger Charakter, mit einem Hang zu Risiken, und er ging sie auch ein, um dann ein ums andere Mal feststellen zu müssen, dass seine finanziellen Mittel nicht weit genug reichten. Er war ein vom Leben gebeutelter vitaler Mann, den Pirjeri auf gewisse Weise liebte. Wenn Pirjeri Vermögen besessen hätte, dann hätte er, ohne zu zögern und ohne auf Sicherheiten zu bestehen, große Summen in Rahikainens Geschäfte investiert.
Oft betete Pirjeri beim lieben Gott für Rahikainen. Er äußerte die Hoffnung, dass der Allmächtige seinem Freund wenigstens so viel Glück bescheren würde, dass dieser ohne finanzielle Sorgen die Tragfähigkeit seines Lebens erproben könnte. Pirjeri schätzte, dass hunderttausend Mark die Mindestsumme wäre, die Rahikainens Leben in Fluss bringen würde.
3
Der Erzengel Gabriel und der heilige Petrus führten in der Bibliothek des alten bulgarischen Nonnenklosters ein hektisches Krisengespräch. Auf der Tagesordnung stand nur ein einziger Punkt, aber der war umso wichtiger. Sie mussten für den Allmächtigen einen Stellvertreter finden.
Erzengel Gabriel erklärte gleich zu Beginn, dass ihm schon seit Langem Gottes Müdigkeit aufgefallen sei. Dieser brauche tatsächlich einen langen Erholungsurlaub, womöglich reiche ein Jahr nicht einmal aus. Gabriel fand, dass Gott in letzter Zeit sehr trübsinnig geworden sei, das zeige sich schon daran, dass er seine Zeit mit Vorliebe in diesem schimmeligen, heruntergekommenen Schloss hinter dem Mond, um nicht zu sagen an diesem gottverlassenen Ort, verbringe.
Petrus warf ein, dass dies kein gottverlassener Ort sei, da Gott sich ja eben hier befand, in seinem ledernen Ohrensessel im Klosterturm saß und apathisch auf die Berge starrte, wenn auch fern der Zentralgebiete.
»Ich habe vielleicht den falschen Ausdruck gewählt, aber einladend ist dieser Ort jedenfalls nicht. Die feuchten Steinwände machen auch mich über kurz oder lang depressiv«, erklärte Gabriel.
»Unser Herr ist wirklich reif für einen Urlaub«,bestätigte
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