Der Liebe Gott Macht Blau
äußern, ob er einen Mann oder eine Frau als Stellvertreter wünschte. Falls eine Frau nicht für die Aufgabe in Frage kommen sollte, würde man sich beim Auswahlverfahren die halbe Arbeit sparen.
Gott wunderte sich über die Frage. Dann wurde er ungehalten: Die Frau sei genau wie der Mann ein Teil der Schöpfung, sie sei ebenso klug und kompetent, außerdem oft von ihrem Wesen her warmherziger und auf jeden Fall rein äußerlich weitaus hübscher anzusehen. Gott fand, dass es keinen Hinderungsgrund gebe, nicht auch eine Frau zu seiner Stellvertreterin zu wählen. In manchen rückständigen Ländern durften keine Frauen zu Priestern ernannt werden, aber diese Art von Unterdrückung würde jedenfalls im Himmel nicht geduldet werden.
Da eine Geschlechterdiskriminierung nicht in Frage kam, musste die strenge Auswahl anhand wirklicher Faktenfortgesetzt werden. Die Aufgabe war fast übermächtig, aber als die Vorgesetzten für die Engel durchgängige Dreischichtenarbeit anordneten, kamen auch Ergebnisse zustande. Tausende durchaus taugliche Anwärter wurden gnadenlos ausgemustert, und am Ende entstand ein Verzeichnis von zehntausend frommen und kompetenten Personen, das dem Erzengel Gabriel und dem heiligen Petrus vorgelegt wurde.
Die himmlischen Kanzleichefs prüften die Listen, saßen Tag und Nacht über den Papieren, holten zusätzliche Informationen ein, suchten nach neuen Beurteilungskriterien und konnten so das Verzeichnis um die Hälfte kürzen. Die höhere Bewertung des Mutes zum Beispiel sorgte dafür, dass dreitausend Namen von der Liste gestrichen wurden. Als Kriterium galt, dass der künftige Gott sich trauen musste, vom Dach eines dreistöckigen Hauses in einen Heuhaufen zu springen. Schließlich war es eine Tatsache, dass ein Mensch mit Höhenangst nicht in Frage kam, wenn es ums Besetzen von Ämtern im Himmel ging, und ganz sicher nicht, wenn es galt, den Allerhöchsten zu vertreten.
Ein gutes und ausgeprägtes Gedächtnis wurde als Vorteil gewertet, wer aber nachtragend war, wurde gnadenlos ausgemustert. Allein auf dieser Grundlage fielen sechshundert Anwärter heraus, unter ihnen viele fromme Kardinäle und Bischöfe, ganz zu schweigen von Legionen von Pastoren. Der Papst war gar nicht erst in die Endrunde gelangt, trotz seines fleißigen Betens. Neben seinem Namen stand in der Liste der schnöde Vermerk: »Betet aus Gewohnheit, glaubt nicht an Gott.« In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der als Bischof von Oulu bekannt gewordeneOlavi Rimpiläinen, der mit seinen Taten sogar im Himmel Aufsehen erregt hat, überhaupt nicht unter den Anwärtern für das Gottesamt auftauchte. Ursache waren nicht Defizite in seiner Güte oder Frömmigkeit, auch nicht mangelnde Fähigkeiten oder mangelnder Mut , sondern es lag schlicht und einfach daran, dass Rimpiläinen in jener fraglichen Woche kein einziges Mal zu seinem Gott gebetet hatte, da er Wichtigeres zu tun hatte. Er kämpfte so vehement gegen eine weibliche Priesterschaft, dass er es nicht schaffte, sich an den Herrn zu wenden. Man kann nur beklagen, welchen Gott die Welt möglicherweise an ihm verloren hat.
Der Prophet gilt nichts im eigenen Land und erst recht nichts im Himmel.
Kranfahrer Pirjeri Ryynänen hingegen betete gerade in jener historischen Woche. Er wollte nichts für sich selbst, sondern bat Gott darum, seine Lebensgefährtin, Frau Solehmainen, zu einem besseren Menschen zu machen, ihrem Charakter wenigstens eine Spur von Selbstbeherrschung hinzuzufügen, ihr mehr Vernunft und Verstand in den Schädel zu trichtern, damit das Zusammenleben mit ihr in den irdischen Niederungen so funktionierte, dass es alle Seiten zufrieden stellte. Das Gebet kam direkt aus dem Herzen und war so anrührend und selbstlos, dass Pirjeri ohne Weiteres in die Endrunde gewählt wurde. In der himmlischen Konkurrenz machte er sich ausgezeichnet, war er doch, außer kompetent und intelligent, auch äußerst mutig, so wie es alle Kranfahrer generell zu sein pflegen.
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In der Bibliothek des verfallenen bulgarischen Schlosses wurde in jenen Tagen fieberhaft gearbeitet. Der heilige Petrus und der Erzengel Gabriel mit ihrem Stab analysierten die vorgeschlagenen Kandidaten, prüften ihre Verdienste und ihre Sünden, befürworteten und verwarfen. Man war dabei, Weltgeschichte zu schreiben, für die Schöpfung einen neuen Gott auszuwählen.
Der offizielle Allmächtige saß untätig im Turm des Schlosses. Er sagte sich, dass er besser schon vor hundert Jahren in Urlaub
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