Der Liebespakt
perfekten Faltenwurf, im Hochsommer wirkten sogar ihre Füße, nicht nur die Nägel, in offenen, hochhackigen Sommersandaletten wie mit Klarlack überzogen. Früher hatte sie mit Georg darüber lachen können. Damals, als er wirklich noch ihr Ehemann gewesen war. Nicht nur auf dem Papier.
Nun war Karolines Parfüm zu riechen, so dicht war sie herangekommen. Sandrine benutzte natürlich den gleichen Duft als Eau de Toilette. Eine klassische, eher konservative Note. Bloß keine eigenen Akzente setzen. Die beiden Frauen standen vor Toni, klappernd legte Karoline ihren Schlüsselbund auf den Stehtisch und erwartete nun das übliche Küsschen links und rechts. Toni wurde ganz flau zumute. Aber sie riss sich zusammen und zwang sich, Karoline ein Begrüßungsküsschen auf die Wange zu hauchen. Sandrine und Toni nickten sich zu, Shirin wurde nicht weiter beachtet. Eine Frau wie Karoline grüßte niemanden einfach so.
»Gefährliches Gelände«, sagte Toni lauernd zu Karoline.
»Wolltest du mich eben filmen, als ich gestolpert bin?«, fragte Karoline schnippisch und schaute Toni dabei durchdringend an. Ob ihr plötzlich der Verdacht gekommen war, Toni könne etwas wissen? Womöglich erinnerte sie sich auch an den sonderbaren späten Anruf vor zwei Tagen.
Eigentlich war Toni an diesem Abend auf der Suche nach einem Brief des Finanzamts gewesen, und sie hatte dafür auch auf Georgs Schreibtisch nachgeschaut. Genau dort war ihr diese verräterische Handyrechnung in die Hände gefallen - ein Handy, dessen Nummer sie nicht kannte, doch der Vertrag war auf Georgs Namen ausgestellt. Irritiert hatte sie die lange Liste der Einzelgesprächsnachweise des letzten Monats durchgesehen. Schnell war klar, dass dieses Handy nur dazu bestimmt war, eine einzige Nummer anzurufen. Allein die Uhrzeiten der Anrufe waren so intim, dass Toni sofort schwindlig wurde. Ihr Mund war trocken, die Hände zitterten leicht, und sie wusste, was jetzt käme, würde ihr Leben verändern. Mit klopfendem Herzen wählte Toni in dieser Nacht die Nummer und erkannte sofort Karolines Stimme am anderen Ende. Ohne ein Wort zu sagen, legte sie auf. Das Display auf Karolines Seite hatte lediglich »Unbekannt« angezeigt. Aber Karoline war nicht dumm. Sie war kaltherzig, aber dumm war sie nicht.
Karoline betrachtete Toni misstrauisch. Sie erwartete eine Erklärung. »Wolltest du mich bei meinem Sturz filmen?«, wiederholte sie ihre Frage. Diesmal klang sie nicht schnippisch. Sondern drohend.
Wenn sie jetzt merkt, dass ich alles weiß, dachte Toni, dann ist der Pakt mit Georg gebrochen. Dieser demütigende, ungeliebte Pakt, der Tonis letzte Chance zu sein schien. War es richtig gewesen, darauf einzugehen? Als sie vor zwei Tagen kraftlos auf dem Bett gesessen hatte, schien es der einzige Weg zu sein, ihre Ehe zu retten. Denn nachdem sie Georg mit der Rechnung konfrontiert und er alles gestanden hatte - danach die Schreierei, die Tränen und sein wütendes Gebrüll, für ihn sei diese Ehe eh längst beendet, daraufhin ihre wilde Kofferpackerei -, da lehnte er irgendwann am Türrahmen. Er wirkte fast fürsorglich.
»Lass uns noch mal reden.«
Lass und noch mal reden - Toni hatte Hoffnung geschöpft. Alles kam ihr so unwirklich vor, denn als sie abends nach Hause gekommen war, schien ihre Ehewelt noch in Ordnung. Jetzt lag alles in Trümmern. Aber Georg wollte mal wieder nur über sich selbst reden. Über den Deal, den er ihr antrug. Er stehe beruflich extrem unter Druck, im Konzern intrigierten einige gegen ihn und versuchten, seine Wahl zum Vorstandsvorsitzenden zu verhindern. »Ich kann mir im Moment keine Ehescheidung leisten«, hatte er gesagt. Diese Einschätzung war nicht übertrieben. Ein geordnetes Privatleben galt als Voraussetzung für den Spitzenjob als Vorstandsvorsitzender. Würde vor der Wahl durchsickern, dass dieser Aufsteiger Georg eine Affäre hatte, sogar mit der Verlobten eines Vorstandskollegen, dann würde er so jäh abstürzen wie ein angeblich glücklich verheirateter amerikanischer Fernsehprediger, der vor laufender Kamera Schmuddelsex auf einer Busbahnhofstoilette einräumen muss. Es wäre das Ende seines Höhenfluges.
Also schlug er Toni diesen Pakt vor: »Lass uns einfach weitermachen wie bisher. Als wäre nichts. Kein Wort zu Karoline, keine Szenen, kein Stress. Vier Monate, mehr nicht. Dann liegt die Wahl hinter mir. Dann bist du frei.«
Toni schaute ihn verwirrt an: »Warum sollte ich das tun? Warum sollte ich dabei mitmachen?«
Er
Weitere Kostenlose Bücher