Der Liebespakt
mitmachst, seine Ehefrau-Angestellte. So wie er schon eine Sekretärin, einen Fahrer, einen Assistenten hat. Georg glaubt inzwischen, er könne alles kaufen.« Shirin hatte Georg eigentlich immer gerne
gemocht. Er war ein kerniger Typ, so einer, der in ihre gemalten Wälder gehörte. Aber ganz über den Weg getraut hatte sie ihm nie und sich von Anfang an gefragt, ob er total skrupellos war oder doch irgendwo tief drinnen eine Moral hatte. Eindeutig für ihn sprach allerdings, dass er eine Frau wie Toni geheiratet hatte. Toni war nicht einfach. Toni war klug und kompliziert, eigenwillig, wunderbar und manchmal etwas schroff. Ein Mann, der eine solche Frau an seiner Seite aushält, kann kein schlechter Mann sein, hatte sie gedacht. Dieser Pluspunkt hatte sich jetzt erledigt.
»Außerdem, wenn ich heute nicht mitgekommen wäre, dann …«, begann Toni wieder.
»Dann?«, hakte Shirin nach.
Da sah sie, wie sich in Tonis Gesicht etwas veränderte. Toni starrte in Richtung Clubhaus. Sie war kalkweiß. Eine leichte Blässe war nicht ungewöhnlich bei ihr, aber Tonis momentane Gesichtsfarbe erinnerte eher an die Kreidefelsen von Dover. Shirin schaute zum Clubhaus, um zu sehen, was Toni so erbleichen ließ.
Eine Frau war auf die Veranda getreten.
»Ist sie das?«, fragte Shirin, denn Toni schien es nicht mehr möglich, einen Ton herauszubringen.
Toni nickte. Das war sie - die Affäre, die Andere, die Geliebte.
»Hat sie einen Namen?« Shirin betrachtete die Frau auf der Veranda neugierig.
»Schlampe«, zischte Toni.
»Der Name Schlampe wird von den Standesämtern nicht zugelassen. Vergessen wir mal kurz, dass sie deinen Mann flachlegt. Wie lautet ihr Rufname?«
Toni seufzte. »Karoline. Sie ist die Verlobte von Tom Gushurst, ein Kollege von Georg, der auch im Konzern arbeitet.
Vorstand wie er. Ein netter Mann, gute Familie, sehr attraktiv, aber irgendwie träge. Der würde von dieser Affäre in tausend Jahren nichts merken.«
»Wenn sie doch mit einem Vorstandstypen verlobt ist, warum macht sie sich dann noch an Georg ran? Dieser Tom hat doch Geld und Status. Und darum geht es doch, oder?«
Für Shirin war das Wirtschaftslenker-Milieu, in dem Toni sich seit ihrer Hochzeit mit Georg bewegte, faszinierend. Toni erlaubte ihr den Blick in eine Welt, die Shirin sonst verschlossen geblieben wäre. Weder Shirin noch Toni hätten früher gedacht, dass es eine solche Welt überhaupt noch gab: Männer, die sich morgens mit einem Kuss verabschiedeten und für die nächsten 18 Stunden im Büro verschwanden; Frauen, die sich für ihr eigenes Aussehen, die Dekoration des Alltags und für die Kinder zuständig fühlten und kaum wussten, was der Ehemann beruflich genau tat, geschweige denn, wo genau er das gemeinsame Vermögen angelegt hatte. »Er investiert irgendwie in Container-Schiffe.« Oder: »Es gibt so einen Fonds in Luxemburg. Aber wenn Sie es genauer wissen wollen, müssen Sie meinen Mann fragen.« Shirin und Toni waren so überrascht und fasziniert von diesem Wirtschaftsbiotop, in dem noch die Geschlechterrollen der Fünfzigerjahre zu gelten schienen, dass sie sogar angefangen hatten, mit ihren Handys Fotos der Ehefrauen zu schießen, um eine private Zoologie der Chef-Gattinnen zusammenzustellen. »Falls meine Bilder sich irgendwann nicht mehr verkaufen und keiner mehr will, dass du sein Loft einrichtest, machen wir mit dieser Porträtsammlung viel Geld«, pflegte Shirin zu sagen. Aber heute war sie nicht aus Neugier zum Polo mitgekommen, sondern weil Toni eine Freundin an ihrer Seite brauchte.
Karoline also, dachte Shirin. Die stand weiterhin auf der Veranda des Clubhauses und schien sich ganz in Ruhe ein Bild von der Situation zu machen. Sie schaute lange auf das Spielfeld,
auf dem die zwar ehrgeizigen, aber mittelmäßigen Managerreiter dem roten Ball hinterherjagten. Einige Reiter fielen allerdings positiv auf, sie waren offensichtlich um Klassen besser. Vermutlich junge Kerle aus Argentinien, die der Club für eine oder zwei Saisons billig einkaufte, damit sie das Niveau der Spiele etwas hoben. Dann schweifte Karolines Blick über die Gäste an den Stehtischen und blieb an Toni hängen. Wie auf Knopfdruck begann sie zu lächeln und winkte Toni zu. Müde hob Toni den Arm und winkte zurück. Es war ein Albtraum.
»Sie weiß nicht, dass ich es weiß«, sagte Toni schleppend. Um sie war wieder dieses dichte, schmerzhafte Wattegefühl. Ihr war plötzlich ein bisschen schlecht.
»Das merke ich. Es ist
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