Der Liebespakt
Clubhaus auf, dessen Interieurs alle aus dem Baumarkt stammten: Waschbecken und Toiletten »Carmargue«, Parkett »Sophie«. Das war wenig exklusiv, tat aber dem Erfolg keinen Abbruch. Berlins Topmanager hatten einen Narren am »Sport der Könige« gefressen.
»Seit der Wirtschaftskrise werden die Tiere nicht mehr gleich gekauft. Jetzt least man sie - die neue Bescheidenheit.« Die allerdings eine Mogelpackung war. Toni wusste nur zu gut, dass man in Georgs Welt weiterhin Ski in St. Moritz fuhr; vielleicht ließ die Ehefrau dieses Jahr vorsichtshalber ihren Nerz daheim.
Und natürlich spielte man weiterhin Polo, trank Champagner und fuhr dicke Autos. Toni verabscheute diese ganzen Geldadelveranstaltungen, sie hatte nie viel übriggehabt für die Freizeitwelt deutscher Topmanager, die ein Faible für Charity-Events mit B-Prominenz, mittelmäßige Golfturniere im Schatten der Alpen, pseudolustige Schiffspartien zu einer Promi-Insel in der Nordsee zu haben schienen.
Anfangs hatte Georg noch so getan, als mache er nur widerwillig mit. Gemeinsam hatten sie als eingeschworenes Team vergnügt über die Anwesenden hergezogen, spätestens hinterher in der Hotelsuite. Jetzt schien Georg seine affige weiße Polohose und die kniehohen braunen Polostiefel gerne anzuziehen. Dazu noch dieser komische Kolonialhelm auf dem Kopf. Einfach lächerlich. Toni stellte fest, dass sie noch nie solche Empfindungen gehabt, noch nie so über Georg gedacht, ihn noch nie so angeschaut hatte - so kühl, wie einen Fremden.
»Ich hasse Polo«, wiederholte sie.
»Ich finde es eigentlich ganz interessant hier«, meinte Shirin, die zum ersten Mal in ihrem Leben einem Polospiel beiwohnte.
»Ich hasse das Wort ›interessant‹.« Toni trank den Rest des Champagnerglases leer.
»Ich mag das Wort eigentlich auch nicht«, antwortete Shirin. »Wenn Galeristen und Museumsleute meine Bilder ›interessant‹ finden, dann weiß ich gleich, sie mögen sie nicht.« Shirin war Malerin, eine ziemlich eigenwillige und ziemlich erfolgreiche. Sie malte deutsche Wälder, irgendwie. Vielleicht machte ihr iranischer Blick darauf Shirins deutsche Wälder so dunkel und geheimnisvoll. Im Ausland liebte man ihre Bilder.
»Mehr Champagner«, rief Toni und blickte sich suchend nach dem Kellner mit dem Hals-Tattoo unter dem weißen Hemdkragen um. Hinter Toni fauchte ein Heizpilz. Sie zog ihren schwarzen, kastig geschnittenen Mantel, den sie bei einer
Hinterhofdesignerin in Berlin-Mitte gekauft hatte, enger. Am liebsten trug sie Schwarz, selten auch Anthrazit, Nachtblau oder Braun. Alles, was Toni anzog, war individuell, nichts von der Stange. Ihr Kleiderschrank war gefüllt mit Sachen kleiner, sehr enthusiastischer Berliner Modelabels, die alle einen Hang dazu hatten, die Frauen ein wenig nachkriegsmäßig zu kleiden - die Stoffe grob, die Farben dunkel, die Schnitte praktisch, die Schuhe klobig. In Berlin gab es keine damenhafte Mode wie in Paris und Barcelona, keinen anglophilen Konservatismus wie in Hamburg oder schrille Modeaufstände wie in London. Die Berlinerin sah trotz ihres modischen Auftretens immer ein wenig wie eine ausgehfertige Trümmerfrau aus.
Toni gefiel die Gradlinigkeit des Berliner Stils. »Ich trage einen ehrlichen Rock zu einer ehrlichen Bluse«, pflegte sie manchmal zu sagen, wenn sie wieder in einer neuen Hinterhofuniform des Style-Duos »Mini&Art« oder des Trendlabels »Doppelrahm« auftauchte. Übrigens passte dieses Outfit perfekt zu ihrem Job. Toni war Innenarchitektin. Ihre Leidenschaft galt dem Minimalismus, der totalen Reduktion auf klare Formen und Farben. Auch in ihrem Einrichtungsstil gab es keine Spielereien, nichts Überflüssiges. »Ehrliche Möbel«, war ihr Verkaufsargument. Nein, mit ihrer strengen Kleidung, ihrer strengen Frisur, die sie an manchen Tagen mit einer intellektuell-abschreckend wirkenden, sehr schwarzen Herrenbrille ergänzte, war Toni keine gefällige Erscheinung. Sie war so etwas wie eine Pastorin strengst-modernen Möbeldesigns. Wer sich von ihr einrichten ließ, der konnte kein schlechter Mensch sein.
Doch leider, leider wurde Tonis zarte Erscheinung an manchen Tagen vom Schwarz und von der eckigen Strenge ihrer Kleidung fast erdrückt. Heute war so ein Tag. Mit ihren rotblonden Haaren, die sie als Pagenkopf trug, und dem blassen Teint mit ein paar Sommersprossen schien sie neben Shirin, deren
kräftiger Haarschopf tiefschwarz war und die von Natur aus gebräunte Haut hatte, fast zu verschwinden. Außerdem
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