Der Liebhaber meines Mannes
ihre Gesichtszüge im aufgedunsenen Fleisch versunken und ihre Brust war riesig und immer hochgepusht, um sie zu präsentieren, wie ein übergroßer, mit viel Sahne gefüllter Baiser im Schaufenster eines Bäckers. Als ich Tom, der neben seiner Mutter saß, unmöglich länger ansehen konnte, heftete ich den Blick auf Mrs Burgess’ gut gepolstertes Dekolleté. Ich wusste, dass ich dort eigentlich auch nicht hinsehen sollte, aber es war besser, als dabei ertappt zu werden, wie meine Augen über ihren Sohn wanderten. Ich war überzeugt, die Wärme zu spüren, die er ausstrahlte; seine bloßen Oberarme lagen auf dem Tisch und es kam mir so vor, als würde sein Körper den ganzen Raum wärmen. Und ich konnte ihn riechen(das habe ich mir nicht nur eingebildet, Patrick): Er roch – erinnerst du dich? – er roch selbstverständlich nach Haaröl – Vitalis wird es gewesen sein – und nach Talkumpuder mit Kiefernduft. Später erfuhr ich, dass er sich jeden Morgen reichlich unter den Armen damit einpuderte, bevor er sein Hemd anzog. Damals, du wirst dich erinnern, hielten Männer wie Toms Vater nichts von Talkumpuder. Das ist jetzt selbstverständlich anders. Wenn ich zum Co-op in Peacehaven gehe, an all den Jungen vorbei, deren Haare so sehr Toms ähneln, wie sie einmal waren – gegelt und in die unmöglichsten Formen gekämmt –, bin ich erschlagen vom Duft ihres Parfums. Sie riechen wie neue Möbel, diese Jungen. Tom hat anders gerochen. Er roch aufregend, denn damals waren Männer, die ihren Schweiß mit Talkum überdeckten, ziemlich verdächtig, was ich sehr interessant fand. Und man hat beides: den frischen Geruch von Talkum, aber wenn man nah genug war, den erdigen Geruch der Haut.
Als wir unsere Sandwiches aufgegessen hatten, brachte Mrs Burgess Pfirsiche aus der Dose auf rosa Tellern. Wir aßen schweigend. Dann wischte Tom sich den süßen Saft von den Lippen und verkündete: »Ich war heute unten beim Einberufungsbüro. Um mich freiwillig zu melden. Dann kann ich mir aussuchen, wo ich hinkomme.« Er schob seinen Teller weg und sah seinen Vater an. »Ich fange nächste Woche an.«
Nach kurzem Nicken stand Mr Burgess auf und streckte die Hand aus. Tom stand ebenfalls auf und ergriff die Hand seines Vaters. Ich fragte mich, ob sie sich vorher schon jemals die Hände geschüttelt hatten. Es sah nicht so aus, als würden sie es häufig tun. Es war ein fester Händedruck und dann blickten sie sich beide im Zimmer um, als ob sie sich fragten, was sie als Nächstes tun sollten.
»Immer muss er im Vordergrund stehen«, zischte Sylvie mir ins Ohr.
»Was wirst du tun?«, fragte Mr Burgess noch immer stehend und seinen Sohn anblinzelnd.
Tom räusperte sich. »Versorgungskorps.«
Die beiden Männer starrten sich an und Sylvie kicherte.
Mr Burgess setzte sich abrupt hin.
»Das sind Neuigkeiten, was? Wollen wir was trinken, Bill?« Mrs Burgess’ Stimme war hoch und ich meinte zu hören, dass sie ihr ein bisschen versagte, als sie ihren Stuhl zurückschob. »Wir brauchen einen Drink, oder? Bei solchen Neuigkeiten.« Als sie aufstand, stieß sie den Rest ihres schwarzen Kaffees auf dem Tisch um. Er breitete sich auf der weißen Plastikoberfläche aus und tropfte auf den Teppich.
»Trampel«, murmelte Mr Burgess.
Sylvie kicherte wieder.
Tom, der die ganze Zeit wie in Trance dagestanden hatte, die Hand immer noch leicht ausgestreckt, wie er seinem Vater die Hand geschüttelt hatte, ging zu seiner Mutter. »Ich hol einen Lappen«, sagte er und fasste sie an der Schulter.
Nachdem Tom aus dem Zimmer gegangen war, blickte Mrs Burgess sich am Tisch um, registrierte jedes unserer Gesichter. »Was sollen wir jetzt bloß tun?« Sie sprach so leise, dass ich mich fragte, ob jemand anders es gehört hatte. Jedenfalls antwortete eine ganze Weile niemand. Schließlich seufzte Mr Burgess und sagte: »Das Versorgungskorps ist nicht die Schlacht an der Somme, Beryl.«
Mrs Burgess schluchzte auf und folgte ihrem Sohn aus dem Zimmer.
Toms Vater sagte nichts. Der Wellensittich zwitscherte und zwitscherte, während wir darauf warteten, dass Tom zurückkam. Ich konnte ihn mit gedämpfter Stimme in der Küche sprechen hören und stellte mir vor, wie seine Mutter in seinen Armen weinte, am Boden zerstört wie ich, dass er fortging.
Sylvie trat gegen meinen Stuhl, aber statt sie anzusehen, blickteich Mr Burgess durchdringend an und sagte: »Selbst Soldaten müssen essen, oder?« Ich sprach in bestimmtem, sachlichem Ton. Genauso machte
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