Der Lockvogel
besser wissen sollen. Ich will mein Geld zurück, ja, aber das ist nicht der Grund, warum Sie hier sind. Für diese Dinge habe ich Anwälte.«
Webster wartete. Tourna sah ihm in die Augen.
»Was ich von Ihnen will«, fuhr er fort, »ist der Untergang von Konstantin Malin. Dieser Mann ist ein Gauner. Angeblich ist er der große Stratege. Der Großwesir, der Mann, der Russland wieder mächtig gemacht hat. Aber ihn interessiert ausschließlich sein eigenes Imperium und sein Geld. Er ist ein fetter Gauner und hat nichts davon verdient. Ich will ihn weghaben.«
Webster sagte einen Moment lang gar nichts. Er spürte, wie die Erregung in ihm aufstieg, in seinen Schultern, in seiner Brust. Eine Chance, sich mit Malin anzulegen. Das war es wert, hierherzukommen. Das war sogar das Warten wert.
»Was heißt für Sie – weg?«
»Aus dem Ministerium entfernt. Gedemütigt. In einem Dutzend Ländern vor Gericht gestellt. Ich will ihn von einem Laternenpfahl baumeln sehen.«
»Verstehe. Und wie sollen wir das erreichen? Er ist ein mächtiger Mann.«
»Eigentlich wollte ich Ihre Gedanken dazu hören.«
»Sie müssen doch eine Idee haben.«
»Hören Sie, alles, was er tut, ist korrupt. Aber er duftet nach Rosen. Dabei muss er jede Menge Dreck am Stecken haben. Wir finden heraus, worum es sich handelt, und benutzen es.« Wenn Tourna redete, schob er seine Lippen leicht nach vorn, ein überraschendes Pink, das im Gegensatz
zu seiner restlichen Bräune stand. Diese Lippen waren es, dachte Webster, nicht seine Augen, die einem rieten, diesem Mann zu misstrauen.
Er nickte wieder. Er zog ein Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche seines Jacketts.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.«
»Nein, schreiben Sie ruhig alles auf. Verlieren Sie es bloß nicht.«
Webster befragte Tourna eine Stunde lang über die Details der Geschichte und alle daran beteiligten Menschen. Wann hatte dieses Geschäft stattgefunden? Wie war es eingefädelt worden? Hatte er Malin persönlich getroffen? Mit wem hatte er es sonst zu tun gehabt?
Als sie fertig waren, war es zehn Uhr, und er fühlte die Sonne heiß auf seine Schultern brennen. Es gab einen Flug um drei. Er wollte diesen Ort verlassen und über das nachdenken, was er gerade gehört hatte.
»Ich glaube, das ist alles. Vielen Dank.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich sollte gehen.«
»Sie bleiben nicht? Bleiben Sie, so lange Sie wollen. Ich könnte Sie morgen in Bodrum absetzen.«
»Danke, nein.«
Tourna streckte sich und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf.
»Und, habe ich bestanden?«
Webster lächelte. »Ich weiß nicht. Ich werde mit meinem Chef sprechen.«
»Glauben Sie, dass Sie helfen können?«, fragte Tourna, schaute an Webster hoch und beschirmte seine Augen.
Webster dachte nach.
»Sie verlangen viel. Falls wir den Auftrag annehmen, werden
wir das Gleiche tun.« Während er das sagte, ging ihm durch den Sinn, dass er diesen Auftrag annehmen würde, auch wenn es gar nichts zu verdienen gäbe. Das hier war die Art von Auftrag, für die er diesen Job ergriffen hatte: die Art, die etwas bewirkt.
Tourna lachte. Webster ging, um seine Sachen zu packen und die lange Reise zurück nach London anzutreten. Schon jetzt überlegte er fieberhaft, wie man diese Sache anpacken könnte.
Malin. Kein schlechter Fang.
Tourna hatte Webster vor der Abfahrt einen dicken Ordner mitgegeben. Er las ihn im Flugzeug – eigentlich eine Vertraulichkeitsverletzung, doch das Kind, das im Sitz neben ihm schlief, machte nicht den Eindruck, als würde es sich dafür interessieren.
Der Ordner enthielt eine Vielzahl von Dokumenten, akribisch sortiert: Zeitungsartikel, Unternehmensberichte, Mitschriften von Radiosendungen, fotokopierte Buchauszüge. Überall waren Passagen mit Leuchtstift angestrichen und mit Ausrufezeichen und energischen Unterstreichungen markiert. Tourna hatte erklärt, dass es sich um seine persönlichen Unterlagen handelte, vieles davon hatte er selbst zusammengetragen. Der umfangreichste Teil war ein Bericht für eine Bank, die erwog, einem Wiener Unternehmen namens Langland Resources Geld zu leihen. Ein Konkurrent von Ikertu hatte ihn vor drei Jahren geschrieben, aber wie Tourna ihn in die Hände bekommen hatte, war nicht klar.
Webster begann mit den Anhängen; diese waren immer am interessantesten. Zu seiner Überraschung fand er zwei Spravki darin, eine über Malin und eine über einen Anwalt
namens Richard Lock, der Tourna das Unternehmen verkauft hatte. Webster
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