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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Feinde waren, hatte er mir nicht verraten. Je weniger ich wisse, desto besser sei ich geschützt, meinte er.
    Das Dorf Montemassi hatte er zufällig entdeckt. Ich wusste nicht, wo er Bruder Gianni, einen Mönch des nahegelegenen Klosters Sant’Antimo, kennengelernt hatte, aber mit seiner Hilfe hatte er eine Wohnung im Dorf gefunden, gleich bei der Festung. Alle vier Wohnungen in dem Haus waren leer. Sie standen schon seit einiger Zeit zum Verkauf; die Rezession wirkte sich auch in der Toskana auf das Immobiliengeschäft aus. Bruder Gianni kannte den Makler und hatte ihn überredet, die Wohnung an David zu vermieten.
    «Im Kloster konnte ich nicht bleiben», erklärte David. «Dort gibt es zu viele Besucher, und außerdem ist es als Asyl zu offensichtlich. Ich werde einen Halbschweden spielen, der durch irgendwelche Börsengeschäfte zu Geld gekommen ist, von einer Schriftstellerkarriere träumt und aus dem Schneematsch in seiner Heimat in die Wärme Italiens flieht.»
    Obwohl David mich vorgewarnt hatte, sein Äußeres habe sich seit unserer kurzen Begegnung in einem Kieler Hafenhotel verändert, hätte ich den Mann, der sich an die Mauer auf dem Dorfplatz von Montemassi lehnte, fast nicht erkannt. Seine Körpergröße konnte David natürlich nicht verbergen. Er hatte während seiner Genesung einen Teil seiner Muskelmasse verloren, aber so krumm hatte ich ihn nie zuvor gesehen. Die veränderte Haltung ließ ihn um Jahre älter wirken. In dem dichten schwarzen Lockenschopf erkannte ich die Perücke, mit der er mich einmal im Foyer des Hotels Torni in Helsinki abgeholt hatte. Auch der schmale Schnauzer und der kleine, lächerliche Spitzbart waren pechschwarz. Der dunkelblaue Pullover und die graue Jeans schlotterten an ihm, und zu meiner Verwunderung waren auch seine Handrücken schwarz behaart. Eine Sonnenbrille verdeckte die Augen.
    Dennoch wusste ich, dass der zwei Meter große, magere Fremde David war. Ich parkte am Rand des Platzes, stieg aus und reckte mich. Meine Haare hatte ich wachsen lassen, sodass ich sie zu Rattenschwänzchen binden konnte, aber ansonsten sah ich so aus wie immer. Das geblümte Kleid, in dem ich mich fremd fühlte, passte zu einer Touristin, die in den toskanischen Frühling reist und hofft, dass die Aprilsonne bereits wärmt. Mit gespielter Neugier betrachtete ich die hässliche moderne Bronzestatue, die in dieser Umgebung fehl am Platz schien, dann studierte ich den Stadtplan.
    Ich war mit meinem eigenen Pass eingereist. Warum hätte ich mir gefälschte Papiere besorgen sollen? Schließlich war ich eine fern von allen offiziellen Organisationen tätige Sicherheitskraft im Dienst der Airpro AG . Früher hatte ich als Leibwächterin für Privatpersonen gearbeitet, doch diese Tätigkeit hatte ich aufgegeben, nachdem eine meiner Auftraggeberinnen unmittelbar nach meiner Kündigung ermordet und die nächste trotz meiner Vorkehrungen entführt worden war. Die Schichtarbeit, bei der ich schlimmstenfalls mit Wutanfällen wichtigtuerischer Passagiere rechnen musste, war genau das Richtige für mich. Wenn ich mich nach Gefahr sehnte, brauchte ich mich nur an David zu halten.
    «Buongiorno, signora.»
Davids Stimme klang vertraut. Er trat zu mir und sprach weiter Italienisch, was ich nur bruchstückhaft verstand. Ich fragte, ob er Englisch könne. Er bejahte und wechselte die Sprache. Wir hatten vereinbart, dass wir vorgeben würden, uns nicht zu kennen, aber sofort Interesse aneinander zu finden. Die finnische Touristin würde den Ortsansässigen bitten, ihr die Festung zu zeigen, und was dann folgte, wäre wie aus einem romantischen Schmöker oder einem kitschigen Film: Liebe auf den ersten Blick, unter dem blauen Himmel der Toskana. Falls diejenigen, die David auf den Fersen waren, sich über mich informiert hatten, wussten sie, dass ich es mit der Keuschheit nicht allzu genau nahm. Wenn ich Lust hatte, mit jemandem ins Bett zu gehen, tat ich es. Mitunter tat ich es auch dann, wenn ich keine Lust hatte.
    Wir wussten natürlich, dass uns auch die sorgfältigste Maskerade nicht lange schützen würde, sofern man mich beobachtet hatte, um David auf die Spur zu kommen. Dennoch hatte ich nicht gezögert, das Risiko auf mich zu nehmen, denn David zog mich unwiderstehlich an, und ich wäre ihm überallhin gefolgt.
    David benutzte ein neues Rasierwasser, das den Eigengeruch seiner Haut jedoch nicht überdeckte. Er fragte, woher ich käme, und ich antwortete wie eine harmlose Touristin. Wir machten uns

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