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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Wahrheit ist tot.«
    Nun jedoch, als Pascoe in ansah, war nichts mehr von dem modebewussten, alterslosen, zynischen und kultivierten Hedonisten zu sehen, nur mehr der Mann mittleren Alters, hergerichtet für ein Kostümfest, zu dem er gar nicht mehr gehen will, mit Sorgenfältchen um Augen und Mund, als Ergänzung zu den Altersfalten, die sich in seine Stirn eingegraben hatten.
    Ein Mann in Angst. Pascoe wusste aus Erfahrung, wie leicht ein Mann in Angst zum Mörder werden konnte. Und aus Erfahrung wusste er auch, wie leicht ein wütender Polizist zum Schläger werden konnte. Er ballte seine Hände in den Taschen zu Fäusten und versuchte, eine ruhige Stimme zu bewahren, als er fragte: »Warum haben Sie sie umgebracht?«
    »Du meine Güte!«, sagte Davenant. »Was für eine blöde Frage!«
    »Sie meinen, die Antwort liegt auf der Hand?«
    »Nein! Ja. Ja, die liegt auf der Hand. Ich war’s nicht. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich war da. Und zwar geschäftlich. Das hören Sie nicht gern, was? Um sieben bin ich gegangen. Zu den Culpeppers. Von denen bin ich direkt zurück nach Oxford gefahren.«
    »Sie lügen«, sagte Pascoe und machte einen Schritt vorwärts.
    Davenant schnellte ängstlich hoch, sein Stuhl schoss nach hinten und kippte um. Die Tür ging auf, und Fergusons Kopf erschien.
    »Alles in Ordnung, Sir?«
    »Ja. Hören Sie Davenant, Sie glauben wohl, Sie haben ein Alibi? Das werden wir sehen. Bis jetzt hat noch niemand irgendetwas gesagt, das Ihre Version stützt. Und ich glaube auch nicht, dass das noch passieren wird. Ferguson, bleiben Sie hier und passen Sie auf ihn auf. Lassen Sie sich nicht von dem geprügelten Hund täuschen, den er da improvisiert. Das Vieh ist gefährlich.«
    Er wandte sich um und ging aus dem Arbeitszimmer, die Wut in ihm brannte lichterloh.
    Culpepper war der Schlüssel.
    Ohne seine Rückendeckung war Davenant geliefert. Die Gruppe im Wohnzimmer tagte offenbar noch immer, das war gut so. Er konnte sich besser entfalten, wenn Backhouse ihm nicht im Genick saß.
    Im Porzellanzimmer stand Culpepper mit dem Rücken zur Tür zwischen den beiden riesigen pseudochinesischen Vasen. In allen Nischen waren die Lichter an, und die Ausstellungsstücke strahlten friedlich in ihrer kalten Schönheit.
    »Warum nicht verkaufen?«, fragte Pascoe. »Damit könnten Sie sich eine Weile über Wasser halten.«
    »Was? Ah, Mr. Pascoe. Ja, vermutlich. Vermutlich.«
    Die Worte drückten Zustimmung aus, doch der Ton war der, den man einem lästigen Kind gegenüber anschlägt.
    »Was hatten Sie mit dem Geld von Pelman vor?«
    »Das? Das wissen Sie doch ohnehin schon. Das war für Davenant.«
    Das war mehr, als er sich erhofft hatte. Er dachte daran, hinauszugehen und Backhouse zu holen, fürchtete jedoch, die Stimmung zu zerstören.
    »Er hat Sie erpresst.«
    »Sozusagen.«
    »Weil ein Teil Ihrer Sammlung von ihm stammt?«
    »Sozusagen.«
    »Was wollte er sonst noch von Ihnen?«
    »Wie bitte?«
    »Hat er Sie gebeten, sonst noch etwas zu tun? War er an jenem Freitagabend wirklich hier?«
    »O ja, er war da.«
    »Und wann ist er gegangen?«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Kommen Sie, Mr. Culpepper! Er sagt, er war nach zehn noch hier. Was sagen Sie? Stimmt das?«
    »Aber nein. Er ist ganz bestimmt vor halb acht gegangen.«
    Pascoe stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen. Culpepper war im Moment nicht in der Stimmung, Alibis auszustellen. Später würde es ihm vielleicht leid tun, aber später würde es zu spät sein.
    »Danke, Mr. Culpepper«, sagte er und wandte sich zum Gehen. Hinter ihm stand die alte Mrs. Culpepper.
    »Sie gehen schon?«, erkundigte sie sich.
    »Ja. Wir werden Sie nicht mehr lange belästigen.«
    »Oh, aye.« Sie schüttelte den Kopf, ob zur Verneinung oder um ihn freizumachen, war nicht klar.
    »Warten Sie noch«, sagte sie und kam herein.
    Pascoe sah ihr ungeduldig zu und konnte kaum erwarten, zu Davenant zurückzukehren, ihn Backhouse als Mörder zu präsentieren und dann endlich nach Hause zu fahren. Langsam kam die Alte näher und blieb hinter ihrem Sohn stehen.
    »Ja, Mutter«, sagte er.
    »Der schlaue Polizist will gehen, Hartley. Möchtest du nicht mit ihm reden?«
    Mehr sagte sie nicht, doch sie blieb stehen und blickte auf den unnachgiebigen Rücken ihres Sohnes. Dann tat sie etwas Unerwartetes. Sie wandte sich um und warf sich mit ihrem ganzen Altweibergewicht auf eine der chinesischen Vasen. Pascoe sprang nach vorne,

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