Der Lüge schöner Schein
gewesen? Auf jeden Fall hatte es Culpepper eine Menge ausgemacht und seine Sorgen um die nahe Zukunft auf den zweiten Platz verwiesen. Jetzt war eindeutig der richtige Zeitpunkt, mit ihm zu reden, solange er sich nicht wieder im Griff hatte und in der Lage war, Davenants Geschichte zu bestätigen.
Doch Backhouse war anscheinend nicht bereit, einen Schritt in diese Richtung zu unternehmen. Er sprach gerade mit Pelman, Palfrey und Dixon, die alle miteinander keine Anstalten mehr machten aufzubrechen, obwohl sie nur eben mal vorbeigeschaut hatten. Die Tür ging auf, und Marianne Culpepper kam herein. Sie sah besorgt aus.
»Er ruht sich bei seinem Porzellan aus«, beantwortete sie die stumme Frage der Anwesenden. »Er hat sich ziemlich aufgeregt. Er versucht jetzt schon seit Monaten verzweifelt, eine neue Stelle zu finden, aber sie haben ihm immer nur etwas im Verkauf oder in der Buchhaltung oder etwas in der Art angeboten.«
»Sie hätten auch etwas unternehmen, sich selbst eine Arbeit suchen können«, sagte Pascoe scharf, den der Ton in Rage gebracht hatte, in dem sie
etwas in der Art
gesagt hatte.
Marianne sah ihn geringschätzig an.
»Mr. Pascoe«, sagte sie, »Sie kotzen mich an. Hauen Sie ab.«
Diese Äußerung in Mariannes wohlartikulierter Sprechweise war überraschend, beinahe schockierend. Und schlimmer noch, Pascoe hatte das Gefühl, zu Recht gerügt worden zu sein.
»Vielleicht gehen Sie ja mit Mr. Davenant wieder ins Arbeitszimmer und versuchen, eine zusammenhängende Schilderung seiner Aktivitäten von ihm zu bekommen«, sagte Backhouse.
Zumindest ist er sich der Gefahr jetzt bewusst geworden, dachte Pascoe. Und wieder darf ich die Dreckarbeit machen.
»Ja, Sir«, sagte er.
In der Diele neben der Haustür stand Ferguson und trank Kaffee.
»Die alte Dame hat ihn mir gemacht«, sagte er zu seiner Rechtfertigung.
»Sie wecken den Brutpflegetrieb in uns allen«, erwiderte Pascoe. »Ist er noch da drin?«
Er deutete mit dem Kopf in Richtung Porzellanzimmer. Ferguson nickte.
»Gut. Hier herein, bitte, Mr. Davenant.«
»Haben Sie jemals ein Gefühl von
déjà-vu?«,
fragte Davenant, als er erneut das Arbeitszimmer betrat. »Sagte der Bischof im Striptease-Lokal.«
»Sparen wir uns die Scherze«, antwortete Pascoe und schloss die Tür. »Und die Schwulentour können Sie sich auch schenken.«
»Lieben Sie mich denn nicht mehr?«, fragte Davenant und kam mit gespielter Schüchternheit, wiegenden Hüften und flehend ausgestreckten Armen auf ihn zu.
Pascoe versetzte ihm einen Stoß in den Magen. Der war zwar nicht besonders kräftig, genügte aber, dass Davenant sich krümmte und auf einen Stuhl krachte.
»Himmelherrgott«, stieß Davenant hervor und hielt sich mit verschränkten Armen die Taille. »Das gibt es also wirklich! Die Szene mit dem Gummiknüppel. Ich wollt’s nie glauben.«
»Freut mich, dass wir Sie hinters Licht führen konnten. Sitzen Sie bequem? Dann fangen wir an.«
»Was zum Teufel wollen Sie?«, fragte Davenant und spähte dabei zur Tür. Mit großem Interesse stellte Pascoe fest, dass sein Tonfall und die Sprechweise sich völlig geändert hatten. Die lang gezogenen Vokale, die rhythmischen Hebungen und Senkungen waren verschwunden. Was übrig blieb, war unmoduliert, beinahe eintönig, mit einem leichten nördlichen Einschlag.
»Wie lange betätigen Sie sich schon als Hehler?«, fragte Pascoe. Er war darauf vorbereitet, dass der andere leugnen würde, und fragte sich, was er dann tun würde.
»Zirka zehn Jahre. Sechs Jahre regelmäßig. Ich habe damit angefangen, kurz nachdem ich mich zum ersten Mal von jemand dafür habe bezahlen lassen, dass ich seine dreckige Spelunke in einem meiner Artikel erwähnte. Ihnen ist bestimmt schon aufgefallen, wie ein Verbrechen das nächste nach sich zieht.«
»Sie sind ja sehr offen«, sagte Pascoe ein wenig erstaunt.
»Jetzt passen Sie auf, mein Junge. Sie sind ein Angst einflößender Mann. Ich glaube, Sie sind ein bisschen ausgerastet wegen dieser Geschichte. Aber auch wieder nicht so, dass Sie mich vor Zeugen zusammenschlagen würden. Ich werde
nirgendwo
gern zusammengeschlagen, also rede ich mit Ihnen. Aber ich halte es wie Sie mit Ihren Schlägen – nicht vor Zeugen.«
»Wie alt sind Sie?«
»Dreiundvierzig.«
»Sie sehen jünger aus.«
»Ergebensten Dank«, sagte Davenant, der für einen Augenblick wieder in sein gewohntes Getue verfiel. »Es ist wunderbar, was Phantasie und falsches Haar für einen tun können. Die
Weitere Kostenlose Bücher