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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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sie um die Katzen beneiden und um den Hund?
    Der Hund liegt drauߟen vor der Küchentür. Er wartet auf Ruben. Erst wenn er die ganze Familie beisammen hat, ist die Welt für ihn in Ordnung.
    Ruben. Ilka wünscht, er würde sich verspäten. Das tut er ja oft. Hoffentlich auch heute. Sie möchte Volker noch ein bisschen für sich allein haben, ihm alles zeigen. Aber so, dass er nicht neidisch wird. Noch nie hat sie einen Freund gehabt oder eine Freundin. Sie weiߟ eigentlich nicht, warum. Es hat sich einfach nicht ergeben.
    Der Hund begleitet sie durch den Garten und dann durch den Wald. Sein Fell leuchtet rot in der Sonne. Immer wieder dreht er sich um und schaut sie an mit seinen honigfarbenen Augen.
    »Vielleicht ist er mit einem Fuchs verwandt«, sagt Volker.
    Ilka hat ihm noch nicht verraten, dass der Hund tatsächlich 
Fuchs
 heiߟt. Jetzt tut sie es. Volker nickt, als hätte er es nicht anders erwartet.
    Ohne zu zögern, nimmt sie ihn mit auf die kleine Lichtung, ihren Lieblingsplatz (auߟer dem Speicher, doch der muss ihr Geheimnis bleiben). Volker guckt sich staunend um. Sie merkt, wie sehr es ihm hier gefällt.
    Sie sammeln Tannenzapfen und bringen sie lachend vor Fuchs in Sicherheit, der es liebt, sie zu zerbeiߟen. Das Sonnenlicht lässt Volkers Haar schimmern und legt sich Ilka warm aufs Gesicht. Eine Weile bleiben sie hier, dann streifen sie wieder durch das grüne Licht des Waldes. Ihre Rufe und ihr Lachen schwingen sich hoch hinauf in die Kronen der Bäume. Dort bleiben sie und bauen ihre Nester in der Stille.
    Bis Fuchs plötzlich bellend losrennt und im Unterholz verschwindet. Da weiߟ Ilka, dass Ruben nach Hause gekommen ist. Sie zieht die Jacke vor der Brust zusammen. Es scheint vom einen Moment zum andern kühler geworden zu sein.
    Nach einer Weile kommt Fuchs zurück, springt freudig an ihnen hoch. Und dann steht Ruben vor ihnen und starrt Volker an. Ilka sieht Volker schrumpfen. Er hält Rubens Blick nicht stand. Ruben ist so viel älter als er, geht längst aufs Gymnasium.
    »Dein kleiner Freund?«, fragt Ruben.
    Dieser eine Satz reicht aus, um Volker zusammenzucken zu lassen. Ilka nimmt seine Hand. Finster erwidert sie den Blick ihres Bruders. Und lässt ihn stehen.
    »Manchmal«, sagt sie zu Volker, »ist er richtig blöd.«
    Volker lächelt sie an. Aber etwas zwischen ihnen, das weiߟ sie, ist zerstört und wird nicht wieder ganz.
     
    Ilka schreckte auf. Die Szene hatte sich nicht verändert, niemand war ausgestiegen, kein Fahrgast neu hinzugekommen. Sie schaute auf die Uhr. Erst eine Viertelstunde vergangen. Sie schüttelte die Traumreste ab und beugte sich über ihr Buch. Nach nicht mal zwei Minuten hatte sie sich in die Handlung des Romans vertieft. Sie klappte das Buch erst wieder zu, als Domberg angesagt wurde.
    Am Bahnhofsplatz nahm sie den Bus Nummer acht. Er fuhr durch die Stadtmitte und dann stadtauswärts und durch das Industriegebiet. Vororthäuser glitten vorbei, Neubausiedlungen und das Einkaufszentrum. Ilka nagte an der Unterlippe. Sobald sie im Bus saߟ, steigerte sich ihre Nervosität.
    Die Scheiben waren schmutzig und von den Ausdünstungen der Fahrgäste beschlagen. Das machte die Welt da drauߟen zu etwas, das beinah unwirklich war. Ein kleiner Aufschub, dachte Ilka, bis sie mich wieder einholt. Sie lehnte sich zurück, um die Fahrt zu genieߟen und sich zu sammeln.
    An der vorletzten Station stieg sie aus, hängte sich den Rucksack um und zog den Schal über die Nase. Es war so kalt, dass die Blätter der immergrünen Sträucher sich eingerollt hatten. Ilka erinnerte sich daran, dass im vergangenen Jahr ein Eisregen die Bäume mit einer feinen gläsernen Schicht überzogen hatte. Sie hatte einen Zweig abgeknickt und er war mit einem leisen Klingen zerbrochen. Sie hatte es noch immer im Ohr.
    Sie beschleunigte ihre Schritte. Es hatte keinen Sinn zu trödeln. Das schob alles nur hinaus, die Unruhe, die Angst und das Unbehagen. Ihr wurde warm und sie begann zu schwitzen. Der Schal wurde von ihrem Atem feucht und nahm den strengen Geruch nasser Wolle an. Ilka lockerte ihn und hob den Kopf.
    Der Anblick des Hauses war ihr vertraut. Trotzdem erschrak sie jedes Mal. Sie betrachtete den roten Klinker, die weiߟen Fensterrahmen und die Skelette der hohen Laubbäume, die das Haus umstanden, als wollten sie es beschützen. Für zwei, drei Sekunden schloss sie die Augen.
    Jeder Mensch hat sein Schicksal, dachte sie. Und das hier ist meins. Sie holte tief Luft

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