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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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    D as Hoch­zeits­kleid war cre­mig­weiß mit ei­nem Hauch Ro­sa dar­in, wie das In­ne­re ei­ner Mu­schel. Die stei­fe, dün­ne Sei­de glitt über den ro­ten Tep­pich, wäh­rend Se­li­na ein paar Schrit­te ging, und als sie sich um­dreh­te, blieb der Saum am Tep­pich haf­ten, so daß sie das Ge­fühl hat­te, das Kleid wi­cke­le sie ein wie ein lu­xu­ri­öses Ge­schenk.
    Miss Steb­bings sag­te mit ho­her, da­men­haf­ter Stim­me: „O ja, ei­ne bes­se­re Wahl hät­ten Sie nicht tref­fen kön­nen. Es ist ein­fach par­fait." Sie lieb­te fran­zö­si­sche Aus­drücke. „Was ist mit der Län­ge?“
    „Ich weiß nicht... Was mei­nen Sie?“
    „Wir wer­den es et­was hoch­ste­cken. Mrs. Bel­lows?“
    Mrs. Bel­lows, die in ei­ner Ecke ge­war­tet hat­te, bis man sie brauch­te, kam her­bei­ge­eilt. Wäh­rend Miss Steb­bings in fei­nen Cre­pe de Chi­ne ge­klei­det war, trug Mrs. Bel­lows einen schwar­zen Ny­lon­kit­tel und Schu­he, die Hau­span­tof­feln ver­däch­tig ähn­lich sa­hen. An ih­rem Hand­ge­lenk klemm­te ein Na­del­kis­sen aus Samt, fest­ge­hal­ten von ei­nem Gum­mi­band.
    Sie knie­te sich hin und be­gann den Saum hoch­zu­ste­cken. Se­li­na be­ob­ach­te­te sie im Spie­gel. Sie be­zwei­fel­te Miss Steb­bings' An­sicht, daß das Kleid ein­fach par­fait für sie war. Sie sah dar­in viel zu dünn aus (sie hat­te doch nicht et­wa noch mehr ab­ge­nom­men?), und die war­me Far­be be­ton­te ih­re Bläs­se noch. Der Lip­pen­stift war weit­ge­hend ver­schwun­den, au­ßer­dem sah man ih­re Oh­ren.
    Sie ver­such­te ihr Haar so zu schüt­teln, daß es die Oh­ren be­deck­te, und er­reich­te da­mit nur, daß die klei­ne Sei­den­kro­ne, die Miss Steb­bings ihr auf­ge­setzt hat­te, ver­rutsch­te. Als sie den Arm hob, um die Kro­ne wie­der ge­ra­de­zu­rück­en, rutsch­te auch noch der Saum ih­res Klei­des nach oben, wor­auf Mrs. Bel­lows scharf den Atem ein­zog, of­fen­bar in Er­war­tung ei­ner schreck­li­chen Ka­ta­stro­phe.
    „Ver­zei­hung“, ent­schul­dig­te sich Se­li­na.
    Miss Steb­bings lä­chel­te kurz und be­gü­ti­gend. „Wann ist denn der glück­li­che Tag?“ frag­te sie im Plau­der­ton.
    „Wir dach­ten uns, so in ei­nem Mo­nat... glau­be ich.“
    „Es wird kei­ne große Hoch­zeit sein?“
    „Nein.“
    „Na­tür­lich nicht. Un­ter den Um­stän­den.“
    „Ich woll­te ei­gent­lich kein rich­ti­ges Hoch­zeits­kleid. Aber Rod­ney... Mr. Ack­land ...“ Sie zö­ger­te wie­der, und dann sprach sie es aus: „Mein Ver­lob­ter...“ Miss Steb­bings setz­te ein ge­ra­de­zu wi­der­lich strah­len­des Lä­cheln auf. „Er war an­de­rer Mei­nung. Er sag­te, mei­ne Groß­mut­ter hät­te ge­wollt, daß ich in Weiß hei­ra­te.“
    „Na­tür­lich hät­te sie das. Wie recht er hat! Ich fin­de im­mer, ei­ne Hoch­zeit in engs­tem Fa­mi­li­en­kreis mit der Braut in Weiß hat ih­ren ganz be­son­de­ren Char­me. Kei­ne Braut­jung­fern?“
    Se­li­na schüt­tel­te den Kopf.
    „Wie rei­zend. Nur Sie bei­de. Fer­tig, Mrs. Bel­lows? Nun, wie ge­fällt es Ih­nen jetzt? Ge­hen Sie ru­hig ein paar Schrit­te.“ Se­li­na ge­horch­te. „Viel bes­ser. Wir wol­len doch nicht, daß Sie stol­pern.“
    Se­li­na be­weg­te sich ner­vös in dem ra­scheln­den Taft. „Es kommt mir schreck­lich weit vor.“
    „Ich glau­be, Sie sind noch dün­ner ge­wor­den.“ Miss Steb­bings zupf­te den Stoff zu­recht.
    „Viel­leicht neh­me ich vor der Hoch­zeit wie­der et­was zu.“
    „Das be­zweifle ich. Wir än­dern es lie­ber ein ganz klei­nes biß­chen, nur zur Si­cher­heit.“
    Mrs. Bel­lows er­hob sich und steck­te ei­ni­ge Na­deln an der Tail­le fest. Se­li­na mach­te noch ein paar Schrit­te und Dre­hun­gen, schließ­lich wur­de der Reiß­ver­schluß ge­öff­net und das Kleid vor­sich­tig über ih­ren Kopf ge­zo­gen, wor­auf Mrs. Bel­lows es wie ei­ne Tro­phäe da­von­trug.
    „Wann wird es fer­tig sein?“ frag­te Se­li­na, wäh­rend sie ih­ren Pull­over über­zog.
    „In zwei Wo­chen, den­ke ich“, er­wi­der­te Miss Steb­bings. „Und wie ha­ben Sie sich we­gen des Krön­chens ent­schie­den?“
    „Ich glau­be, ich neh­me es. Es ist recht schlicht.“
    „Ich

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