Der Makedonier
bedeutete, als vielmehr schwelenden Zorn.
Konnte ein Pferd auf eine Beleidigung reagieren? Offensichtlich, denn Philipps Alastor schien es als Kränkung zu empfinden, daß ein anderer Mann es sich anmaßte, seinen Willen brechen zu wollen. Ptolemaios merkte, daß er fast glücklich darüber war.
»Ich weiß nicht, womit Philipp deinen Willen gebrochen hat«, flüsterte er, während er behutsam die Hand auf den Hals des Hengstes legte, »aber ich glaube, daß diesmal einfache Gewalt genügen wird. Ich bin kein kleiner Junge mehr, der sich deine Launen gefallen läßt.«
Alastor rollte die großen schwarzen Augen und zog den Kopf weg, doch er war merkwürdig still geworden.
Ptolemaios krallte sich mit beiden Händen in der Mähne fest und schwang sich auf den Rücken des Hengstes. Sobald er sicher saß, packte er die Zügel und riß sie scharf in die Höhe. Der Hengst schrie vor Schmerz auf.
»Verstehen wir uns jetzt?«
Er nickte den Knechten zu, die rechts und links von ihm auf ihren Pferden saßen, und grub Alastor dann die Fersen in die schwarzen, glänzenden Flanken. Der Hengst machte einen Satz nach vorn.
Alastor war nicht leicht zu bändigen. Er kämpfte gegen Zaumzeug und Reiter, stieg in die Höhe und schlug mit den Vorderhufen in die Luft, doch als schließlich das Blut aus seinem Maul strömte und schon der kleinste Zug an den Riemen in wundes Fleisch schnitt, schien er aufzugeben.
Nach einer halben Stunde ließ Ptolemaios die Knechtedie Halteleinen lösen, damit er allein reiten konnte. Einige Minuten später spornte er den Hengst zu einem Kanter und danach zu einem langsamen Galopp an, und nun spürte er zum erstenmal etwas von der enormen Kraft des Tieres.
Als er sich schließlich seiner Macht über den Hengst sicher war, ließ er ihm seinen Willen, und sie jagten so schnell über das offene Land, daß die Welt vor seinen Augen verschwamm.
Doch am Ende reagierte Alastor auf das Zaumzeug und fiel gehorsam in einen gemächlichen Trab. Ptolemaios wendete und kehrte zu seiner Jagdgesellschaft zurück.
»Bring ihn wieder in den Stall«, sagte er, während er zu: Boden glitt und Geron die Zügel gab. Alastor war schweißgebadet, und die Muskeln an seinen mächtigen Flanken zitterten unter der Haut. »Laß ihn über das nachgrübeln, was er heute gelernt hat. Ich werde ihn noch einmal reiten, bevor er es wieder vergessen kann, aber heute ist sein Maul zu wund für einen Jagdausflug.«
Damit bestieg er sein eigenes Pferd und ritt davon, um sich zu zerstreuen.
Wenn Ptolemaios von der Jagd zurückkehrte, trank er immer gern etwas Wein, aß ein wenig Obst und legte sich dann eine halbe Stunde aufs Ohr. Wenn er wieder aufwachte, war er immer in fröhlicher Stimmung, aber er hatte gemerkt, daß die Gesellschaft ungehobelter Männer diesen Frohsinn eher dämpfte. Er zog es deshalb vor, die Stunden vor den nächtlichen Gelagen der Gefährten des Königs entweder allein oder in der Gesellschaft von Frauen zu verbringen. Eurydike konnte, wenn sie dazu aufgelegt war, eine sehr angenehme Gesellschafterin sein, und sie war zu stolz, um seine gute Laune auszunützen und ihn um Gefälligkeiten zu bitten. Den frühen Abend verbrachte er deshalb gewöhnlich mit seiner Frau.
An dem Abend nach seiner Begegnung mit dem schwarzen Hengst war ihm jedoch ihre Gegenwart nicht sehr willkommen. Er hätte nicht erklären können warum, nicht einmal sich selbst, aber es freute ihn nicht sonderlich, als er, nach einem längeren Schlaf als gewöhnlich, die Augen öffnete und sah, daß sie auf ihn herunterblickte mit ihrem unergründlichen Lächeln, das immer einen Zweifel widerzuspiegeln schien, den er ins Unterbewußtsein verdrängt hatte.
Er brauchte nur ihr Gesicht anzusehen, um zu wissen, daß sie etwas gehört hatte. Aber das war zu erwarten gewesen. Vor der Frau des Regenten gab es keine Geheimnisse.
»Wie spät ist es?« fragte er und wischte sich umständlich den Schlaf aus den Augen. Er fragte sich dabei, warum er sich mit solch lächerlichen Ablenkungsmanövern überhaupt abgab, und schämte sich plötzlich.
»Die Dämmerung ist eben hereingebrochen.«
Eurydike gab ihm eine Schale Wein, und obwohl er eigentlich gar nicht wollte, trank er einen Schluck, bevor er die Schale neben seinem Lager abstellte.
Sie stand von der Bettkante auf und zündete eine Lampe an. Ein goldener Schein umhüllte ihren Arm wie der Mantel einer Göttin.
»Du mußt sehr müde gewesen sein«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »War die
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