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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Bestie?«
    »Alastor, mein Gebieter.«
    Die Abendsonne fiel durch die Stalltüren, der schwere Geruch von frischem Heu und Pferdeschweiß hing in der Luft. Ptolemaios hatte einen erfolgreichen Jagdtag hinter sich, an seinen Armen klebte noch das Blut eines Hirsches. Er war müde, doch es war wie die Müdigkeit seiner Jugend, hinter der sich noch Kraftreserven verbargen.
    Alastor. Es war typisch für Philipp, seinen Hengst nach einem Rachegeist zu benennen. Es war wie eine offene Herausforderung.
    »Wir werden ihn morgen früh mit uns nehmen«, entgegnete Ptolemaios und war etwas überrascht, sich das sagen zu hören. »Es ist doch die reinste Verschwendung,ihn hier herumstehen zu lassen. Ich werde ihn morgen reiten, wenn mein Pferd müde geworden ist.«
    »Herr, ich…«
    »Ich werde ihn reiten, Geron. Du wirst dich darum kümmern, daß er vorbereitet ist.«
    »Ja, Herr.«
    Als der Stallmeister sich verbeugte, war sein Gesicht überschattet vom Kummer, als würde man ihn zwingen, einen Frevel zu begehen.
     
    Als Ptolemaios im kalten Licht der ersten Morgenstunden zusah, wie der große Hengst von zwei berittenen Pferdeknechten auf den Hof gebracht wurde – sie hatten ihm zwei Schlingen um den Hals gelegt und führten ihn zwischen zwei Wallachen, um ihn ruhig zu halten –, überkam ihn einen Augenblick lang der Zweifel. »Dieses Pferd ist ein Mörder«, flüsterte er. Aber wie der Schatten eines fliegenden Vogels, der schnell über den Boden huscht, flackerte der Gedanke durch seine Seele und war einen Augenblick später verschwunden. Nur die Erinnerung daran blieb, und mit ihr der blecherne Geschmack der Angst.
    Nein, er würde nicht warten, denn die Angst war eine Last, die sich an sich selbst nährte.
    »Geron, sobald wir auf freiem Feld sind, wo er mich nicht mehr an einer Hausmauer abstreifen kann, nimmst du mein Pferd und ich reite Prinz Philipps.«
    Der Stallmeister sagte nichts, runzelte aber mißbilligend die Stirn.
    Sobald Ptolemaios abgestiegen war, sprangen auch die Stallburschen von ihren Wallachen und begannen, die Seile anzupflocken, wobei sie sie immer kurz hielten, damit der Hengst den Kopf nicht zurückwerfen konnte. Schließlich brachte Geron das Zaumzeug – es war ein Übungszaum, der nur für widerspenstige Tiere verwendet wurde, ein grausames Stück Schmiedeeisen, das jedem Pferd, das sich wehrte, das Maul aufriß – und streifte es über Alastors Kopf. Dann trat er vor den Regenten.
    »Er ist ein Untier und wird auch die geringste deiner Schwächen ausnutzen, Herr. Laß dich nicht einschüchtern, sondern zeige ihm sehr schnell, daß du sein Meister bist.«
    »Das ist immer ein guter Rat.«
    Ptolemaios zeigte ein dünnes Lächeln, dem man nur schwach anmerkte, daß er eigentlich über diese Bemerkung hätte tödlich beleidigt sein können, doch der Stallmeister verstand dessen Bedeutung und verbeugte sich.
    »Mein Vater hat mich auf mein erstes Pferd gesetzt, bevor ich laufen konnte, Geron. Und ich habe schon den rechten Flügel des Königs in der Schlacht befehligt, als ich noch nicht einmal siebzehn war. Das ist nur einer von vielen Hengsten mit zuviel Feuer im Blut; ich werde es schon schaffen.«
    »Ich wollte dich nicht beleidigen, Herr.«
    »Und ich habe es nicht als Beleidigung aufgefaßt.« Das Lächeln verschwand. »Wenn ich mein Bein über seinen Rücken geschwungen habe, können auch deine Männer wieder aufsitzen, aber sie sollen die Seile straff halten. Ich halte es für das beste, wenn er sich erst einmal an mein Gewicht gewöhnt und ich ihm mit dem Zaumzeug Gehorsam beibringe.«
    »Wie du befiehlst, Herr.«
    Ptolemaios wußte, was der Stallmeister dachte: Philipp hatte Alastor nur mit einem einfachen Halfter zugeritten – es hieß, er könne den Hengst mit nichts anderem als einem geflüsterten Wort und einem Schenkeldruck beherrschen –, aber Ptolemaios war kein tollkühner Junge mehr, der sein Leben grundlos gefährdete. Ihm würde es schon reichen, wenn er nur den Willen des Pferdes brechen konnte.
    Mit dem Zaum im Maul war der Hengst anfangs unruhig und nervös und trat sogar nach den beiden Wallachen.
    Doch mit der Zeit beruhigte er sich, und der Regent ging vorsichtig auf ihn zu.
    Ptolemaios hatte wirklich sein ganzes Leben mit Pferden verbracht, und er wußte, welch erstaunliche Bandbreite von Gefühlen sie auszudrücken in der Lage waren. Deshalb wußte er auch, daß das leise, dunkle Wiehern, das tief aus der Brust des Hengstes zu kommen schien, weniger Angst

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