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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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wissen, wer er war, und zum erstenmal in seinem Leben erlebte Philipp das Vergnügen, als Fremder, anonym und unerkannt, durch eine belebte Stadt zu schlendern.
    Der Marktplatz war enttäuschend klein. Doch bei genauerem Hinsehen zeigte es sich, daß er einem jungen Mann, der noch immer Bardylis’ Athener Drachmen in einer Börse an seinem Gürtel trug, viel zu bieten hatte. Er hatte bis dahin kein Leben geführt, das ihn an den Umgang mit Geld gewöhnt hätte, aber er kam sich unermeßlich reich vor.
    Natürlich war das erste, was er sich kaufte, ein Schwert. Es war die Waffe eines Fußsoldaten, mit einer Klinge von weniger als einer Elle Länge. Es war biegsam und gut ausgewogen, und wenn er es am lederumwickelten Griff hielt, lag es gut in seiner Hand.
    Als Junge hatte Philipp Glaukon immer auf den Markt begleitet, er wußte deshalb, wie man feilscht. Als der Händler schließlich die einzelne Silbermünze in Händenhielt, rieb er sie zwischen den Fingern, als fürchte er, sein Kunde habe es am Ende doch geschafft, ihn übers Ohr zu hauen.
    Es gab auch Manuskripte zu kaufen, aber es war billiger, den Vorlesern zuzuhören, die ihr Publikum vor den Weinläden versammelten und es für ein paar Kupfermünzen mit Szenen von Aischylos, bei denen einer alle Rollen sprach, mit Episoden aus Hesiods Theogonia oder mit Passagen aus Homer unterhielten. Während Philipp so im Sonnenschein stand und dem Tod des Rektor lauschte, dachte er an seinen Freund Aristoteles, der jetzt in Athen war und Philosophie studierte – Aristoteles schien den gesamten Homer auswendig zu kennen, sogar die Aufzählungen der Kriegernamen, über denen alle anderen einschliefen. Bei diesem Gedanken überkam ihn das Heimweh.
    Er erinnerte sich an Arsinoe und an den Geschmack ihres Mundes, und als er hinuntersah auf die Pflastersteine einer thebanischen Straße, erschien es ihm sogar möglich, daß er vor Sehnsucht nach Pella starb.
    »Nicht beschwöre mich, Hund – « die Stimme des Vortragenden schwoll an, bis sie beinahe brach, als er die Worte Achills sprach, »- bei meinen Knien und den Eltern. Daß doch Zorn und Wut mich erbitterte, roh zu verschlingen dein zerschnittenes Fleisch für das Unheil, das du mir brachtest!«
    In seiner Vorstellung sah Philipp noch einmal seinen Bruder unter Praxis’ Schwert sterben, und alle Sanftheit wich aus seiner Brust.
    Vielleicht, dachte Philipp, werde ich, wenn ich Ptolemaios getötet habe, auch seine Leiche neunmal um die Mauern der Stadt schleifen, bis kaum noch etwas übrig ist von ihm, das man verbrennen könnte.
    Aber das mußte warten. Alexandros’ Geist mußte noch auf seine Rache warten. Denn im Augenblick gehörte Makedonien dem Regenten.
    »Das ist doch nur Dichtung, Philipp. Du siehst aus, als wolltest du höchstpersönlich Hektor töten.«
    Philipp drehte sich um, denn er hatte die Stimme nicht erkannt. Sie gehörte einem langen, dürren Jungen, der so groß war, daß Philipp den Blick heben mußte, um sein Gesicht zu sehen: Es war Philoxenos, sein Vetter und Ptolemaios’ einziger Sohn.
    Philoxenos war ziemlich genau ein Jahr älter als Philipp, und obwohl er das linkische Wesen der Kindheit inzwischen abgelegt hatte, war er doch weit entfernt von der Ausstrahlung, die seinen Vater auszeichnete. Es fehlte ihm auch des Regenten Fähigkeit zur Täuschung, denn wenn er lächelte so wie jetzt, verriet er alles, was in ihm vorging.
    Die beiden jungen Männer hatten ihr Leben lang nur Verachtung füreinander empfunden.
    »Ich habe dich gesucht«, sagte Philoxenos. »Theben muß doch nach Pella sehr fremd auf dich wirken, und da habe ich mir gedacht, daß du dich vielleicht über ein vertrautes Gesicht freust.«
    Damit hätte er sogar recht haben können.
    Als aber Philoxenos nach einer Weile merkte, daß Philipp ihm nicht antworten würde, verschwand das Lächeln von seinen Lippen.
    »Mein Vater hat mir geschrieben, daß…«
    »Und du schreibst ihm«, unterbrach ihn Philipp. »Wie es aussieht, hat der Regent seine Spione überall.«
    »Er hat mir geschrieben, daß du wüste und verräterische Anschuldigungen vorgebracht hast.«
    »Oh, das wohl kaum, Vetter. Ich habe nur angedeutet, daß er hinter dem Königsmord steckt.«
    Ein Blick nackter Angst kam plötzlich in Philoxenos’ Augen, und er schien zurückzuschrecken, als hätte er vor sich eine Schlange gesehen. Erst nach einer Weile und mit deutlich sichtbarer Anstrengung brachte er wieder ein Lächeln zustande.
    »Wer würde denn so etwas

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