Der Makedonier
oben zu bleiben, denn er wußte, wenn er jetzt das Gleichgewicht verlor, wäre er vermutlich tot, sobald er den Boden berührte. Doch dann…
Er wußte kaum, was passierte, merkte nur, daß es nach unten ging, so als würde er kopfüber ins Wasser springen. Der Hengst schlug aus, und ein entsetzlicher Schmerz schien wie ein Blitz heißen, weißen Lichts in Philipps Kopf zu explodieren. Er streckte die Arme aus, um den Aufprall zu dämpfen, und rollte weg, bevor der Hengst noch einmal zuschlagen konnte.
Und plötzlich war alles vorbei. Philipp drehte sich auf den Rücken und sah zur Sonne hoch. Sein Gesicht schmerzte, und er schmeckte Blut, aber er war am Leben.
Er schien ganz allein zu sein. Als er den Kopf drehte, sah er den Hengst etwa fünfzehn oder zwanzig Schritt von ihm entfernt seelenruhig dastehen. Er schien ihn gar nicht mehr zu beachten, fast so, als wollte er ihn verhöhnen.
Alexandros kam zu Philipp gelaufen, um ihm aufzuhelfen, doch er schüttelte ihn ab. Ganz ohne fremde Hilfe rappelte er sich hoch, und nach ein paar Sekunden wußte er, daß er nicht wieder umfallen würde.
»Alles in Ordnung«, sagte er und hob dann die linke Hand an seine Wange. Er blutete knapp unterhalb des Auges, doch daran würde er nicht sterben. »Mir geht es gut – hol ein Seil, und ich versuche es noch einmal. Und diesmal schlage ich ihn.«
»Der alte Nikomachos soll sich um dich kümmern.« Alexandros bückte sich und betrachtete die Wunde im Gesicht seines kleinen Bruders. »Vielleicht ist der Knochen gebrochen…«
»Alexandros, fang das Pferd ein!« schrie Philipp. Plötzlich war er so wütend, daß er sogar mit dem Fuß aufstampfte.
»Philipp, das Pferd gehört dir, wenn du es so sehr willst«, schrie Alexandros zurück. »Es ist ein Dämon, innen so schwarz wie außen, und du hast Glück, daß du noch lebst. Sei zufrieden – du hast mir bewiesen, daß du ein Mann bist.«
»Aber ihm habe ich es noch nicht bewiesen!«
Tränen liefen Philipp über die Wangen. Mit zitternd geballter Faust deutete er in die Richtung des Hengstes. Doch dann war seine Wut so schnell verraucht, wie sie gekommen war.
»Fang das Pferd ein«, sagte er leise. »Laß es einfangen, Bruder, oder ich tu’s selbst. Er mag ein Dämon sein, aber er wird mich nicht besiegen. Ich kenne jetzt seine Schliche. Ich will ihn reiten.«
>»Will, will<, hm, kleiner Bruder?« Alexandros lächelte, aber ein wenig ungehalten, so als würde es aus ihm herausgepreßt. Mit dieser Bemerkung spielte er auf eine Geschichte an, die Glaukon ihm über Philipps erste Gehversuche erzählt hatte: Kaum ein Jahr war er damals gewesen, und doch hatte er wütend alle Hilfe von sich gewiesen und mit seiner dünnen Kinderstimme gerufen: »Will, will!« – »Damals bist du nur auf deinen Hintern gefallen, aber diesmal kannst du dir den Hals brechen.«
»Laß ihn einfangen, Bruder.«
Das Lächeln verschwand. Alexandros mußte nur in Philipps Augen sehen, um zu wissen, daß jede Widerrede sinnlos war. Er hob achselzuckend die Hand und gab den Befehl.
Philipp setzte sich ins Gras, um seine Wunde und seinen Stolz zu pflegen, und sah den Pferdeknechten bei der Arbeit zu. Die Vorderläufe des Hengstes hatten sich in den Zügeln verheddert, so daß es diesmal einfacher war, ihn zu fangen und zu bändigen, außerdem schien er vor Menschen keine Angst mehr zu haben, als spürte er, daß er gegen jeden Reiter siegen konnte.
»Die Götter bestrafen den Stolz«, flüsterte Philipp und betrachtete mit leicht zusammengekniffenen Augen die harte, schwarze Gestalt seines Gegners, »ob aber deinen oder meinen, mein Freund, das müssen wir erst noch herausfinden.«
Er stand auf und ging steif zu der Stelle, wo die Pferdeknechte und ihr Gefangener ihn erwarteten. Sobald er das Signal gegeben hatte und die Seile vom Hals des Pferdes glitten, umspannte er mit den Beinen dessen Flanken und duckte sich so tief, daß seine Brust fast den Hals des Tieres berührte.
Wild schnaubend bäumte der Hengst sich auf und schnellte dann mit der ganzen Kraft seine Hinterläufe vorwärts, kam aber, wie Philipp erwartet hatte, ziemlich sanft auf den Vorderläufen auf. Da er voraussah, daß der Hengst nach links ausbrechen würde, verlagerte er sein Gewicht auf diese Seite, und so war es, als würde das Tier ihm entgegenkommen, um ihn aufzufangen.
Der Hengst bäumte sich noch einmal auf und wieherte, als könnte er nicht glauben, was ihm da passierte. Immer wütender wurde er und versuchte, seine
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