Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Prolog
»So ein Zobel ist ganz schön lästig«, flüsterte Francesca Serritella Day kaum hörbar, als das Blitzlichtgewitter über sie hereinbrach. Sie vergrub ihr Gesicht noch tiefer im hochgeschlagenen Kragen ihres russischen Fellmantels. Wenn es doch wenigstens Tag wäre! Dann hätte sie sich hinter einer Sonnenbrille verstecken können …
»Diese Meinung dürfte wohl kaum jemand mit dir teilen, Darling«, erwiderte Prinz Stefan Marko Brancuzi. Energisch nahm er ihren Arm und bahnte sich einen Weg durch die Menge der Klatschreporter, die sich vor dem New Yorker »La Côte Basque« postiert hatte, um die prominenten Gäste zu fotografieren. Stefan Brancuzi war der regierende Fürst einer kleinen Balkanmonarchie, die dem überfüllten Monaco mehr und mehr den Rang als Steuerparadies der schwer gebeutelten Reichen abzulaufen drohte. Aber nicht der Prinz stand bei den Fotografen im Mittelpunkt des Interesses. Die schöne Engländerin an seiner Seite zog die Aufmerksamkeit auf sich – nicht nur hier, sondern auch bei einem großen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit.
Während Stefan sie zu einer wartenden Limousine führte, hob Francesca in einer hilflosen Geste ihre behandschuhte Hand, aber auch so konnte sie die Flut von Fragen, die sie überrollte, nicht eindämmen – Fragen nach ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zu Stefan, sogar nach ihrer Freundschaft mit dem Star der beliebten Fernsehserie »China-Colt«. Als sie und Stefan endlich in den weichen Ledersitzen saßen und der Wagen sich in den Samstagnachmittagverkehr auf der 55. Straße der Eastside eingefädelt
hatte, gab sie einen Stoßseufzer von sich. »Dieser ganze Rummel dreht sich nur um meinen Mantel. Dich bedrängt die Presse nicht so. Hätte ich bloß meinen alten Regenmantel angezogen, dann wären wir unbemerkt durchgeschlüpft!«
Stefan betrachtete sie amüsiert. Sie runzelte vorwurfsvoll die Stirn. »Und die Moral von der Geschichte …«
»Na?«
»Angesichts des Hungers in der Welt verdienen Frauen, die einen Zobel tragen, was sie bekommen!«
Er lachte. »Du wärst aufgefallen, ganz gleich, was du getragen hättest. Ich habe schon miterlebt, wie du in einem Jogginganzug den Verkehr zum Erliegen gebracht hast!«
»Ich kann nichts dafür«, entgegnete sie unwirsch, »es liegt mir im Blut: Das ist der Fluch der Serritellas.«
»Also wirklich, Francesca, ich habe noch nie eine Frau gekannt, der ihre eigene Schönheit so verhaßt war wie dir!«
Sie murmelte etwas, das er nicht verstand, und vergrub ihre Hände tief in den Manteltaschen, wie gewöhnlich völlig unberührt von jeglicher Anspielung auf ihre strahlende Schönheit. Nach einer längeren Pause brach sie das Schweigen. »Vom Tag meiner Geburt an hat mir mein Gesicht nichts als Ärger eingebracht.«
Gar nicht zu reden von deinem wunderbaren Körper, dachte Stefan, aber das behielt er für sich. Während Francesca geistesabwesend aus dem getönten Fenster hinaussah, musterte er verstohlen ihre bezaubernden Gesichtszüge, die schon so viele in ihren Bann geschlagen hatten. Er erinnerte sich an die Worte eines bekannten Modeschöpfers, der unter bewußter Vermeidung sämtlicher Vivien-Leigh-Klischees, die Francesca im Lauf der Jahre angehängt worden waren, über sie geschrieben hatte: »Das kastanienbraune Haar, das ovale Gesicht und die grünen Augen verleihen Francesca Day das Aussehen einer Märchenprinzessin, die ihre Nachmittage damit verbringt, vor ihrem Bilderbuchschloß Flachs zu Gold zu spinnen.«
In privater Runde hatte sich der Moderedakteur weniger schwärmerisch geäußert: »Ob Francesca Day manchmal auch ein dringendes menschliches Bedürfnis hat? Bei der kann ich’s mir kaum vorstellen …«
Stefan zeigte auf die seitlich eingebaute Bar aus Walnuß und Mahagoni. »Möchtest du einen Drink?«
»Nein, danke. Ich glaube, mehr Alkohol kann ich heute nicht vertragen.« Sie hatte schlecht geschlafen, und ihr britischer Akzent war stärker als sonst. Der Mantel war vorn aufgeschlagen, sie sah auf ihr Armani-Kleid hinunter. Das Kleid von Armani, der Pelz von Fendi … Schuhe von Mario Valentino. Sie schloß die Augen, erinnerte sich plötzlich an jenen heißen Herbstnachmittag damals in Texas. Sie hatte im Straßendreck gelegen, ein Paar schmutzige Jeans am Leib und fünfundzwanzig Cent in der Tasche. Damit hatte alles angefangen – daß sie völlig am Ende war.
Der Wagen bog in die Fifth Avenue ein, und ihre Erinnerungen trugen sie noch weiter zurück in die
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