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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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einen in der richtigen Zehntelsekunde eingesetzten energischen Tritt wieder hoch, um im nächsten Moment in dem offenbar kürzlich umgeschaufelten Graben zu landen. Er stieß einen kurzen, groben Fluch aus, und ihm kam in den Sinn, dass solche Flüche, die niemand hörte und die nur von den schweigenden riesigen Alleebäumen aufgefangen wurden – Ahornbäume waren es, soweit er sehen konnte –, etwas von einem Ritual hatten. Stoßgebete, könnte man vielleicht sagen.
    Beim Sturz hinunter in den Graben griff er nach dem wertvollen Gerät, dem Electrolux-Haushaltsassistent, der natürlich dazu verurteilt war, zu fallen und beschädigt zu werden. Auf diese Weise hatte er den linken Arm so ausgestreckt, dass der das gesamte Gewicht von Mann, Fahrrad und Haushaltsgerät abfing.
    Aber das Gerät in seiner Demonstrationstasche aus braunem Segeltuch blieb an seinem Platz und schien den Fall unbeschädigt überstanden zu haben. Wahrhaft bewundernswert ist die Erinnerung, die sich die Dinge auf eigene Faust zu bewahren scheinen.
    Erst jetzt wurde das linke Handgelenk völlig taub. Janne fand, er hätte nicht genug Zeit, um sich darum zu kümmern, da er das Fahrrad und das Gerät heil aus dem nassen Graben herausbekommen musste. Erst als er sich auf einen Stein setzte, um das Wasser aus den Socken zu wringen, erkannte er, dass etwas mit diesem Handgelenk passiert war. Es ließ sich nicht mehr leicht beugen. Und es tat weh. Teuflisch weh.
    Dass es weh tut, ist jedoch ein Zeichen dafür, dass man noch am Leben ist.
    Mitten in dem heftigen Rutsch – während einer solchen Hundertstelsekunde von Gewissheit und Schrecken, die uns immer bei Katastrophen beschert wird – hatte er ihn überwältigt, dieser unangenehme Gedanke. Dass er im Grunde vielleicht ein völlig misslungener Mensch war.
    Was immer das bedeuten mochte. Er kannte ja auch andere, die ebenfalls misslungen waren: die alten Arbeiter der Papierfabrik, chronisch verschnupft vom Einatmen der Sulfate, der einarmige Schleusenwärter, der den anderen Arm im Walzwerk verloren hatte, die arme alte Frau im Altersheim von Nibble, die von Geburt an eine gespaltene Nase hatte. Wie mochte sie sich fühlen?
    Was meinte man eigentlich, wenn man von jemand behauptete, er sei misslungen? Seine Frau hatte an diesem Morgen gesagt, er sei ein gänzlich misslungener Mensch.
    Was antwortete man eigentlich auf so etwas?

Hundejahre

    D er Kolonialwarenladen, den er übernommen hatte, mit siebenundzwanzig Jahren und zu ziemlich unmöglichen Kreditbedingungen von der Bank, in der seine Mutter putzte, der Föreningsbanken in Hallstahammar, war ein großartiges Projekt gewesen. Bis es Wirklichkeit wurde. Da schrumpfte es so trostlos schnell.
    Die Lage war sehr gut. Das war das Argument, als die beiden alten Brüder Salholm, die bisherigen Eigentümer, die Idee präsentierten. Eine ganz hervorragende Lage am Beginn der Steigung zum Oxbacken hinauf, einer Stelle, an der nach menschlichem Ermessen alle Leute die Schritte verlangsamen mussten. Aber das wollten sie offenbar nicht. Ziemlich schnell war er in etwas ertrunken, was einem Sturm von Kreditzinsen, nicht bezahlter Mieten und eigenartig unregelmäßig eintrudelnden Lieferantenrechnungen glich. Und das schon nach wenigen Monaten. Warum wollten die Kunden nicht hereinkommen? Das hatte er sich Tag für Tag gefragt, mit einem anscheinend entspannten Lächeln auf die Theke gestützt, während der beschäftigungslose Laufbursche das Rekordmagasinet , Tidsfördrif und stundenweise auch En Rolig Halvtimme las, an einen bequemen Mehlsack gelehnt.
    Was konnte Janne daran ändern? Wenn er selbst nicht gedankenversunken das unendlich phantasiebeflügelnde Bild auf den Dosen mit dem Scheuermittel Tomteskur betrachtete, auf dem ein gemütlicher Heinzelmann eine Dose mit Tomteskur mit einem sehr kleinen, aber deutlich erkennbaren Heinzelmann mit Tomteskur in der Hand hielt, pflegte er nervös die Schublade mit dem Kassenregister herauszuziehen, dessen Inhalt indessen darauf beharrte, sich nicht zu vermehren. Und draußen vor der Tür kamen der eine und andere vorbei. Außerdem der große Fahrradstrom von ASEA und den Svenska Metallverken kommend, der immer pünktlich auf die Minute um zwanzig nach fünf vorbeifuhr. Aber keiner der Blaugekleideten mit den Vesperdosen auf dem Gepäckträger zeigte das geringste Interesse daran, anzuhalten und den Nachfolger der Gebrüder Salholm zu besuchen. Wer es versucht hätte, hätte natürlich leicht von dem

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