Der Mann auf dem Einhorn
Bauernhäuser und Einödhöfe«, brummte Sceythe. »Irgendwo werden sie Unterschlupf gefunden haben.«
Vier Nächte schon galoppierte Hester auf dem Einhorn um die Stadt. Gerüchte schwirrten durch die schneebedeckten Gassen Nyrngors. Die kleine Gruppe der Rebellen, meist mit Caer-Waffen ausgerüstet, erhielt regen Zulauf. Die Caer und Feithearn reagierten mit einer Flut neuer Drohungen und Verbote.
»Irgendwo, ja sicher«, seufzte Elivara. »Und wenn ihn die dreihundert Reiter Feithearns fangen?«
»Dann bringen sie ihn in die Stadt zurück«, antwortete der Wirt brummig. »Schließlich braucht ihn der Priester lebend auf dem Thron. Mach dir keine Sorgen, Königin!«
»Ich mache mir Sorgen«, beharrte sie. »Ich rechne damit, dass Feithearn magische Kräfte einsetzt. Dann werden keine Tier - Armeen mehr da sein!«
»Aber wir sind da. Und wir werden immer mehr!« beharrte Dhorkan. Sein Gesicht war schmaler geworden und hatte sein jugendliches Aussehen verloren. Harte Linien gruben sich in seine Züge.
»Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, Dhorkan!« klagte Elivara. Sie hatten, auf einem verlassenen Teil der nördlichen Mauer stehend, Hester und seinen Auftritt beobachtet. Aber die Rätsel waren geblieben; keine Frage war beantwortet worden. »Nyrngor wird niemals wieder das werden können, was es einst war.«
Dhorkan zog die Schultern hoch und sehnte sich nach seinem Lager. Sie waren zu nächtlichem Leben verdammt worden, denn nur im Schutz der Dunkelheit konnten sie sich treffen, konnten Caer überfallen und Waffen erbeutet werden, konnte man ein Lager der Caer plündern. Er gähnte und stand auf.
»Ich gehe in mein Versteck«, sagte er leise. »Du solltest auch schlafen, Königin.«
Noch immer trafen sich Caer in dieser Taverne. Hin und wieder verrieten sie unabsichtlich in ihren Gesprächen irgendwelche Neuigkeiten. Sceythes Mägde hatten scharfe Ohren. Und bisher war keiner auf den Gedanken gekommen, die Königin und den Hauptmann ihrer Palastgarde ausgerechnet hier zu suchen.
»Ich versuche es«, antwortete sie flüsternd. »Obwohl mich meine Gedanken nicht einschlafen lassen werden.«
Dhorkan öffnete die winzige Falltür und kletterte in das tiefe, uralte Gewölbe hinunter, wo sich zwischen den Weinfässern und den erbeuteten Waffen sein Lager befand.
*
Noch vor einem Jahr war er Novize gewesen. Seine rasche Auffassungsgabe und sein starker Wille, verbunden mit dem Umstand, dass er Drudins Lieblingsschüler war, hatten ihn an die Spitze der Priesterschaft getragen. Aerinnen, sein Konkurrent um das Amt des neuen Herrschers über Nyrngor, war mit Sicherheit tot, denn sonst hätte er ihm längst den Titel streitig gemacht. Feithearn verschwendete keinen Gedanken mehr an ihn. Seine Gedanken waren ganz anderer Natur.
»Duldamuur!« sagte er gepresst. »Ich brauche deinen Rat und deine Hilfe!«
Der Dämon gab keine Antwort, die menschliche Ohren hören konnten. Aber die verkrampfte Haltung des jungen Mannes, der im Thronsessel König Carnens saß, löste sich ein wenig. Er lauschte in sich hinein.
»Ich muss etwas gegen den Einhornreiter und seine Tiere unternehmen. Nyrngor droht mir zu entgleiten!«
Duldamuur, durch Feithearns Verbindung zum Schattenreich existent, war mächtig und listig. Er gehorchte und beantwortete Feithearns Fragen, er bestätigte die Überlegungen des Priesters.
Feithearn stieß ein leises Kichern aus und sagte: »Das ist gut! Ich werde alle deine Kraft brauchen, Duldamuur!«
Nur wenn er allein war, sprach er laut mit Duldamuur. Das Unterbewusstsein des Priesters hatte einige Ideen ausgebrütet, und der Dämon erkannte ihre Notwendigkeit ebenso. Feithearn würde viel Kraft brauchen, und der Dämon gab sie ihm.
»Ich weiß, was ich zu tun habe«, murmelte er. Er stand auf und wanderte durch den Saal. Er blieb am Kaminfeuer stehen und blickte in die lodernden Flammen. Dabei fiel ihm ein, dass es den Caer-Soldaten an Feuerholz zu mangeln begann.
Am anderen Morgen setzte er seinen Plan in die Tat um. Er rief die Hauptleute seiner Wache zusammen und ordnete an: »Wir brauchen einen starken Rappen. Sucht unter unseren Pferden das beste aus! Es muss dem Einhorn gleichen. Ich brauche einen sehr guten Reiter. Er muss das Pferd ohne Sattel und Zügel reiten können.«
Die Caer grinsten; sie erkannten den Umfang des Planes. Einer von ihnen fragte beeindruckt: »Du willst einen Gegenreiter aufstellen, Priester?«
»Und ihn mit dämonischen Kräften ausstatten. Ich weiß, dass
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