Der Mann auf dem Einhorn
kalte Wasser in einen Trog, und nach kurzer Überlegung holte er den Rappen und einen Armvoll Heu in denselben Raum. In der hintersten Ecke fraß das Pferd, tauchte sein Maul in das aufgetaute Wasser, und schließlich holte Mythor auch noch den Sattel.
Dann erst legte er wuchtige Kloben nach, keilte einen Holzstamm gegen die Tür und zog den Mantel aus. Draußen heulte der Sturm.
Als er durch einen Fensterspalt lugte, sah er, dass es bereits finstere Nacht war. Er packte die Reste des Proviants aus, fand Öl in einem Krug, und irgendwie gelang es ihm, aus den kärglichen Zutaten eine würzige, heiße Suppe zu kochen. Er ließ den Rest im Kessel, für den nächsten Morgen. Dann nahm er den Helm ab, der die letzte Zeit nutzlos gewesen war.
»Man kann nicht alles haben«, murmelte er und bereitete sich neben dem Feuer ein Lager aus alten Decken, einigen Fellen und dem Laub, das in geflochtenen Körben lag. Das Schwert rammte er in eine Ritze der Bodenbretter.
Mit geschlossenen Augen, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, vor sich das wärmende Feuer, lag er da. Noch schlief er nicht; die Ereignisse seit dem Absturz der Nomadenstadt zogen in qualvoller Langsamkeit an seinem inneren Auge vorbei. Er war ebenso ratlos wie vor dem Betreten des verwunschenen Tals. Im Bewusstsein, an einem toten Punkt angekommen zu sein, schlief er ein. Ruhig stand der Rappe in seiner Ecke und kaute an den Halmen des Heubüschels.
Am Morgen war aus dem Feuer ein großer Haufen schwarzroter Glut geworden. Rasch wärmte er die Suppe auf und aß sie mit einem grob geschnitzten Holzlöffel.
Draußen herrschte eine tödliche Ruhe.
Mythor wusch sich Gesicht und Hände im eiskalten Wasser. Dann blickte er durch den Fensterspalt: Hof und Scheune waren unberührt, es gab keine Spuren. Als er durch einen zwei Finger breiten Riss der Eingangstür starrte, zuckte er zurück und sah dann genauer hin.
Einen halben Bogenschuss weit, im Loch der Hecke, standen fünf Gestalten in dicker Pelzkleidung. Ihre Gesichter waren unter den Kapuzen nicht zu erkennen. Jeder der Krieger, an deren Gürtel Schwerter und Äxte hingen, hielt zwei oder drei Wurfspeere in der Hand. Wildländer!
*
Es herrschte Sternenlose Nacht, und doch war es nicht völlig finster. Die Männer konnten den Fuß der Mauer erkennen und gerade noch den schmalen, stellenweise verwehten Pfad, den die Caer-Patrouillen getreten hatten. Gegen Mitternacht, nach einem letzten wütenden Ansturm, ließ der Wind nach und schlief endlich ganz ein.
Die Zinnen trugen dünne Schneehauben, zwischen den Quadern hingen Eiszapfen. Nicht nur den beiden frierenden Posten auf dem Turm des Hafentors erschien die Stadt wie eine Festung, von Schnee und Dunst eingeschlossen. Jedermann in Nyrngor hatte in diesen Stunden und Tagen dieselbe Empfindung. Große, gefährliche Dinge schienen sich hinter den Vorhängen des fallenden Schnees zu verstecken.
»Caers Blut!« murmelte der Posten mit blaugefrorenen Lippen. »Ich sage dir, dieses verfluchte Einhorn ist kein Geistertier.«
»Es ist ein Geist. So stark und schnell ist kein Pferd. Ich habe noch nie so etwas erlebt.«
»Abwarten. Ob er auch heute nacht wieder kommt?«
»Ich glaube es ganz sicher«, war die unwillige Antwort.
Zwischen ihnen, im windgeschützten Winkel, stand ein eiserner Korb aus geflochtenen Bändern. Er war voller roter Glut, darüber lagen brennende Scheite. Aber die stechende Hitze, die er ausstrahlte, konnte die Posten nicht wirklich vor der Kälte schützen, die der Stein gespeichert hatte. Sie froren erbärmlich, ihre Stimmung war dementsprechend.
Jede Nacht warteten sie.
Diejenigen, die schliefen, wurden durch das Heulen des Wolfes aufgeweckt und durch die gellenden Schreie des Falken. Wer nicht schlief, saß da und wartete darauf, ob der Einhornreiter erschien oder nicht. Die Posten versuchten, sich vor Überraschungen zu schützen, und hielten ihre Waffen bereit. Niemand wusste, an welchem Teil der Stadtmauer Hester mit dem schwarzen Einhorn zuerst auftauchen würde.
Niemand hatte Hester aus so geringer Entfernung gesehen außer Feithearn und einigen Caer, dass er es mit Gewissheit sagen konnte. Aber jeder Nyrngorer war davon überzeugt.
Der Schneefall hörte langsam auf. An vielen Stellen der Mauern leuchteten Fackeln, deren Licht sich im Schnee zu spiegeln und zu vervielfachen schien. Ein fernes Geräusch drang an die Ohren der Wartenden. Die Caer hoben die Köpfe.
Und dann erschienen auf dem Schnee zwei dunkle Punkte, ein
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