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Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Titel: Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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kleine Pause, in der er offenkundig unser Erstaunen ob seiner Einsicht genoss. Allerdings stellte sich die Frage, wie die gezogenen Pistolen zu verstehen waren.
    »Es war äußerst unklug von mir«, erklärte er dann mit einem kalten Lächeln, »irgendjemand zu vertrauen. Vertrauen ist eine Larmoyanz, die den Instinkt und die Vernunft, sogar die Erfahrung außer Kraft setzt. Unverzeihlich. Ich hätte uns allen viel Leid ersparen können, wäre ich weniger vertrauensvoll gewesen. Ich bin tief getroffen von der eigenen Dummheit. Und bin nicht einmal sicher, ob der Schaden wirklich zu begrenzen ist. Aber man muss es versuchen. Was sonst sollte man tun?«
    Köpple küsste nochmals Holdenrieds Hand. Gleichzeitig wies er, ohne ihn anzuschauen, in die Richtung seines Sekretärs Geislhöringer. Einer von den Zwillingen nickte. Ein Schuss ging los, gedämpft, wohltönend. Geislhöringer riss die Augen auf und schob die Pupillen nach oben, als folge er dem Eintritt der Kugel in seine Stirn. Dann fiel er um wie einer, der nicht mehr mitspielen möchte.
    Köpple ließ die Hand seiner Herzdame und Sprecherin der Konzerngeschäftsleitung los, trat zur Seite und sagte: »Ich würde mir eine weitere Dummheit nicht verzeihen.« Dann gab er dem anderen Zwilling ein knappes Zeichen. Der Mann drückte ab. Das Projektil traf Holdenried an der gleichen Stelle wie Geislhöringer. Ihr Kopf fiel zur Seite. Sie war ebenso schnell tot. Sie konnte nicht mehr reden. Aber ich meinte sie zu hören, wie sie sagte: Was für eine Komödie.
    Das ist ein Standpunkt. Der einer Toten. Ich selbst betrachtete die Situation weniger gelassen. Schließlich war ich noch am Leben, hatte aber das Gefühl, es nicht mehr lange zu sein.
    »Mir ist das eigentlich peinlich, Herr Jooß«, begann Köpple von Neuem. »Sie müssen ja auf den Gedanken kommen, hier in Stuttgart regiere das Chaos. Ich versichere Ihnen, das ist nicht der Fall. Es ist bedauerlich, dass jemand von Ihrem Ruf in ein derartiges Durcheinander geraten ist, an dem Sie selbst – davon bin ich überzeugt – nicht die geringste Schuld tragen.«
    »Sie sind mir gefolgt, nicht wahr?«
    »Ja. Meine Mitarbeiter waren so freundlich, Sie zu beschatten, nachdem es Ihnen gelungen war, aus dem Bahnhofsturm zu entkommen. Ich hatte großes Vertrauen in die Polizei gesetzt, dass man Sie liquidieren wird. – Da haben Sie es schon wieder: mein dummes Vertrauen. Immerhin, Sie haben mich zu meiner geliebten Annegrete und meinem nicht minder geschätzten Sekretär geführt, dessen Rolle mir unbekannt war, das muss ich gestehen. Ich war so frei, ein wenig zu lauschen. Ich hätte ihm das nicht zugetraut. Ich hielt die Bayern bis dato für harmlos. Eher humorig als wirklich gefährlich. Ich werde diese Ansicht korrigieren müssen. Ich werde noch viel korrigieren müssen.«
    »Wie wäre es«, mischte Szirba sich in selbstmörderischer Absicht ein, »wenn Sie die Korrektur dort vornehmen, wo sie wirklich etwas bringt? Nämlich in Ihrem Kopf.«
    Köpple blickte den Österreicher verwundert an, als hätte er ihn eben erst bemerkt. »Wer sind Sie denn?«
    »Das ist mein Rosenkohlrösle!« Die Antwort kam von der Tür her, in der nun ein enormes Exemplar von Frau stand, man könnte sagen, eine Offenbarung von Frau, barfüßig, den Raum aufsaugend, naturgewaltig trotz Sportanzug. Das musste Gerda sein, von der Szirba mir erzählt hatte. Ich erkannte um ihren Hals den gleichen grünen Schal, der um Szirbas verletzte Hand gebunden war. Neben Gerda stand ein Mann mit geröteten Augen. Gerötet vom vielen Schachspiel und den vielen Tränen, denn auch ihn hatte ich sofort erkannt: Heinz Neuper, der Boxer. Unverkennbar hatte er beide Fäuste angehoben, die linke wie ein Tastorgan in den Raum führend, während die rechte parallel zu seinem Kopf stand. Dort stand sie aber nicht lange, die Faust, denn sie schoss nun durch die Luft und landete im Gesicht des einen Zwillings, der sich überrascht umgedreht hatte, gerade rechtzeitig, sodass die Faust ihn wie ein Kometeneinschlag traf. Sein Finger war gerade noch dabei gewesen, den Abzug zu drücken, wurde aber ein Opfer der Ohnmacht, die auch den Finger erfasste. Gleichzeitig hatte Gerda den Lauf der Pistole gepackt, die der andere Zwilling hielt, und richtete ihn hinauf zur Zimmerdecke, in die jetzt eine Kugel einschlug. Gerda tat nichts weiter. Der Mann schaute sie ungläubig an. Dann ließ er die Waffe los, trat einen Schritt zurück und blieb regungslos stehen. Offensichtlich besaß

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