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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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er hatte, die Krone auf. Es geschah nämlich, daß er in einer Seitenstraße ging – in dem Augenblick eines Dynamitverbrechens. Den ersten Augenblick war er blind und taub gewesen, und dann ersah er, durch verwehenden Rauch, zertrümmerte Fenster und blutige Gesichter. Nach diesem kam er daher – ganz der alte: ruhig, freundlich, ja sanft sogar; und doch war seitdem ein Flecken auf seinem Gemüt, der nichts Gesundes sein konnte. Ihm waren die Anarchisten nicht, wie den meisten von uns, eine Handvoll pathologischer Burschen, die hübsch viel Ignoranz und Intellekt in sich vereinigen; sondern er sah sie vielmehr als eine ungeheure und unerbittliche – als eine Gelbe Gefahr schlechthin an ...
    Er übergoß die Zeitungen und – Redaktionspapierkörbe mit wahren Sturzbächen von Geschichten, Versen und heftigsten Artikeln, darinnen er die Menschheit vor dieser neuen Sintflut zittern machte. Aber er schien seinen Feind nie richtig vor die Büchse zu bekommen – wenigstens, was noch weit schlimmer war, nie einen lebendigen ... Wenn er, weh an seiner wohlfeilen Zigarre kauend und schmerzlicher noch über den guten Fortgang alles Anarchismus brütend, so den Londoner Themse-Quai hinabschlenderte, da war kein Anarchist, mit einer Bombe in der Tasche, so wild, so weltverlassen wie er. Da fühlte er so recht, da fühlte ers zum Greifen, daß die Regierung allein und hoffnungslos stand, – vor ihm nach hinten heraus und gerad als wie an die Wand gedrückt. Er war übrigens zu sehr Don Quichotte, als daß er noch anders für sie gefürchtet hätte ...
    So ging er wieder einmal den Themse-Quai hin ... und da war ein böser, bös-roter Sonnenuntergang. Der rote Fluß warf den roten Himmel zurück, und beide spiegelten seinen unmeßbaren Kummer. Der Himmel, der war in der Tat so dunkelfarben und das Licht auf den Wassern dagegen von einer so geisterhaften Blässe, daß das Wasser in wilderen Tinten zu flammen schien als der Sonnenuntergang sich abspiegelte. Als wie ein Feuerstrom wars, der durch gewaltige Höhlen einer unterirdischen Landschaft dahinbraust.
    Syme war zerlumpt und elend schäbig in jenen Tagen. Er trug eine altmodische, schwarze Angströhre; und er ging in einem noch altmodischeren, schwarzen, zerschlissenen Dallesmantel, so daß er aussah als wie ein Bösepicht aus Dickens oder Bulwer Lytton. Auch waren sein gelber Bart und sein gelbes Haar viel ungekämmter und löwenhafter als sie es später in den Gefilden Saffron Parks waren. Denn da waren sie ja geordnet und geschnitten ... Ein langer, dünner, schwarzer Glimmstengel, in Soho erhandelt und im Freien zu rauchen, stak aus seinem Gezähne, und alles in allem sah er eben hinlänglich so aus wie einer jener Anarchisten, denen er einen Heiligen Krieg erklärt hatte. Und vielleicht gerade deswegen wars, daß auf demselbigen Themsequai ein Policeman zu ihm sprach und sagte: »Guten Abend.« Syme, in einer Krisis gerade seiner morbiden Aengste um die Menschheit, schien ungeheuer schmerzlich berührt von der Dummheit des automatischen Beamten, der eine tüchtige Tube Blau war in all der Zwielichtsauce rundum.
    »Einen guten Abend nennen Sie das?« sagte er gereizt. »Ihr Kerle würdet den Untergang der Welt noch einen guten Abend nennen. Sehen Sie sich bloß mal diese blutrote Sonne und diesen blutigen Fluß da an! Ich kann Ihnen sagen, daß Sie, wenn das alles vergossenes und flammendes Menschenblut wär, trotzdem und grad noch so solide hier aufgepflanzt stehen würden und nach irgendeinem harmlosen Wanderer auslugen und ihn vorwärts! oder auseinandergehn! heißen. Ihr Blauen, ihr seid nur zu den Elenden grausam, aber selbst diese eure Grausamkeit würde ich euch noch hingehen lassen und nachsehen, wenn ihrs nicht rein aus dem Bedürfnis nach absoluter Gemütsruhe wäret.«
    »Unsere Ruhe«, erwiderte der Schutzmann, »ist die Ruhe der organisierten Resistenz.«
    »Hä?« sagte Syme und war baff.
    »Der Soldat hat seine eiserne Ruhe im dicksten Dickicht des Gefechts zu bewahren«, fuhr der Polizist fort. »Die Gemütsruhe der Armee ist die Angst der Nation.«
    »Himmlischer Vater – die öffentlichen Elementarschulen!« sprach Syme. »Haben Sie das aus einem Katechismus auswendig lernen müssen?«
    »Nein«, sagte der Polizeimensch düster, »ich hab keine so günstige Gelegenheit gehabt. Die öffentlichen Elementarschulen kamen erst nach meiner Zeit. Die Erziehung, die ich genoß, war so klobig und ganz und gar altmodisch, daß ich mich geniere, es zu

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