Der Mann, der Donnerstag war
es nicht besser wäre, wenn ich es mit einem Messer täte. Die besten Dinge sind mit einem Messer vollbracht worden. Und das müßte ein ganz neues Gefühl sein, einem französischen Präsidenten so etwas wie ein Messer hineinzurennen und das drinnen ein paarmal umzudrehen.
»Sie sind im Irrtum«, sprach der Sekretär und zog seine schwarzen Brauen zusammen, »das Messer, das drückt altmodisch genug nur einen persönlichen Streit mit einem persönlichen Tyrannen aus. Dynamit aber – das ist nicht bloß unser bestes Instrument: es ist auch unser bestes Symbol. Es ist ein so vollkommenes Symbol unserer selbst wie Weihrauch für die Gebete der Christenheit. Es ist expansiv; es zerstört nur, weil es sich ausbreitet. Genau so wie der Gedanke zerstört, weil er sich ausbreitet. Eines Menschen Gehirn ist eine Bombe«, rief er aus, sein seltsam verhaltenes Wesen plötzlich aufgebend und seinen eigenen Schädel mit wütenden Püffen traktierend, »mein Gehirn fühlt wie eine Bombe, Tag und Nacht! Es muß sich ausbreiten – und wenn das Universum dabei in Stücke geht!«
»Ich möchte nicht, daß das Universum nun eben jetzt in Stücke ginge«, dehnte der Marquis seine Worte. »Ich will noch eine große Menge tierischer – bestialischer Dinge tun, bevor ich sterbe. Ich dachte den gestrigen Tag im Bett noch darüber nach.«
»Nein. Wenn das letzte Ende eines Dings nichts ist«, sagte Dr. Bull mit seinem sphinx-gleichen Lächeln, »so scheint es mir kaum wert, daß man es tut.«
Der steinalte Professor starrte mit tollen Augen zum Mauerverputz hinauf und sprach:
»Ein jeder Mensch weiß in seinem Herzen, daß nichts wert ist, daß man es tut.«
Da war ein Schweigen. Und dann, sagte der Sekretär:
»Wir sind etwas vom eigentlichen Thema abgekommen. Die Frage ist einzig die, wie Mittwoch den Coup ausführen will. Ich denke, wir sollten alle wie bisher für die Bombe sein. Was die Vorbereitungen dazu angeht, möchte ich vorschlagen, daß er morgen früh zu allererst – –«
Da losch die erleuchtete Rede ein ungeheuerer Schatten aus: – Präsident Sonntag war aufgestanden, den Himmel verfinsternd.
»Bevor wir das verhandeln«, sagte er still und gemächlich, »wollen wir uns in ein Extrazimmer verfügen. Ich habe etwas sehr – sehr Wichtiges zu sagen.«
Syme war vor allen ändern in der Höhe. Nun war der Augenblick gekommen. Die Pistole auf ihn gespannt. Auf dem Pflaster unten hörte er den Blauen müßig stapfen und stampfen, denn der Morgen, obwohl sonnig, war kalt...
Fing mit einemmal mit einer heiteren Weise eine Drehorgel auf der Straße zu singen an. Und Syme stand stramm – als wär das ein Signal vor der Schlacht. Er kam sich vor: angefüllt mit einem übernatürlichen Mut, der von nirgendwo kam. Jene klingelnde Musik schien erfüllt von der Lebenskraft und Roheit und sinnlosen Tapferkeit der Armen, die in all jenen schmutzigen Straßen sich all anklammerten an die Güte und die Nächstenliebe der Christenheit. Sein Jungenstreich, ein Polizeimann zu sein, war aus seinem Gedächtnis ausgewischt; er war gar nicht mehr der Vertreter jenes Gentlemenkorps von lauter verdrehten Konstablern, er dachte gar nicht mehr an den alten Verrückten in der Dunkelkammer – – er fühlte sich nur noch als der Ambassadeur all jener armen Werkeltagsleute auf den Straßen, die Tag für Tag zu den Klängen der Drehorgel in den Kampf marschierten. Und dieser edle Stolz, ein Mensch zu sein, erhöhte ihn königlich, erhob ihn in unendliche Höhen – unsagbar hoch über all die monströsen Männer da um ihn herum. Für einen Augenblick einmal geruhte er vom Sternengipfel seines schlichten Menschseins und nichts als Menschseins herabzuschauen auf ihre krampfhaft zuckenden, kriechenden, zappelnden, krabbelnden Exzentrizitäten. Er fühlte sich ihnen gegenüber so unbewußt und elementar überlegen wie ein tapferer Mann gegenüber reißenden Tieren oder ein Weiser wütigen Narren. Er wußte es wohl: er war weder von der geistigen, noch Von der Körperkraft des Präsidenten Sonntag; aber in diesen Augenblicken sollte es ihn so wenig bekümmern wie etwa die Tatsache, daß er nicht die Muskeln eines Tigers oder ein Horn auf seiner Nase so wie ein Rhinozeros hatte. Er bestand quasi nur noch aus einer allerletzten Gewißheit, daß der Präsident unrecht hatte und die Drehorgel recht. In seiner Seele sang jene unwiderlegbare alles niedersiegende Wahrheit aus dem Rolandlied – »Païens ont tort et Chrétiens ont droit«, die im
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