Der Mann, der Donnerstag war
hinzu.
»Das Recht muß man Ihnen lassen«, sagte Sonntag und sagte es mit etwas wie einer brutalen Bewunderung im Ton, »daß Sie hübsch kalt darunter waren ... Aber nun hören Sie mich an. Sie gefallen mir – ich habe Sie gern. Das heißt: es würde mich dritthalbe Minuten lang sehr verdrießen, wenn ich erfahren würde, daß Sie eines scheußlichen Todes gestorben sind. Nun also ... wenn Sie jemals der Polizei oder sonst einer Menschenseele von uns erzählen, werd ich die dritthalb Minuten Verdruß erleiden. Von dem Herzeleid, das Ihnen daraus entsteht, nicht zu reden ... Guten Tag. Gehen Sie.«
Der rothaarige Detektiv, der sich als Gogol maskiert hatte, stand stumm auf und ging ganz nonchalant aus dem Zimmer. Jedoch der bestürzte Syme war imstande, sich zu vergegenwärtigen, daß die Unbekümmertheit erheuchelt war; denn da vernahm man schwach ein Straucheln außerhalb der Türe, das bezeigte, daß der Detektiv, der ging, nichts weniger als ging.
»Die Zeit fliegt nur so dahin«, sagte der Präsident dann auf die heiterste Weise, nachdem er einen Blick auf seine Taschenuhr geworfen, die wie jedes Ding an ihm, von dreifacher natürlicher Größe war. »Ich muß fort. Ich muß in eine Humanitarierversammlung.«
Da wandte sich der Sekretär gegen ihn – und seine Augenbrauen arbeiteten.
»Wärs nicht besser«, fragte er ein bißchen schneidend, »wir würden erst die Details unseres Projektes noch weiter verhandeln, nun der Spitzel fort ist?«
»Nein. Ich denke nein«, sagte der Präsident. Und das tat sich auf wie eine lokale Erderschütterung. »Lassen wir das wie es ist. Ueberlassen wir das Kollegen Samstag. Ich muß machen, daß ich fortkomme. Frühstück hier nächsten Sonntag.«
Aber diese letzte stürmische Szene hatten die fast wehrlosen Nerven des Sekretärs aufgepeitscht. Er war einer von denen, die im Verbrechen noch gewissenhaft sind. Und er sagte:
»Ich muß protestieren, Präsident. Das geht wider die Regel. Es ist eine fundamentale Bestimmung in unserer Gesellschaft, daß über alle Pläne in vollzähligem Rat abgestimmt werden muß. Selbstverständlich billige ich Ihre Vorsicht, wenn in dem vorliegenden Fall, wo ein Verräter – –« »Sekretär!« sagte der Präsident ernst, »wenn Sie Ihren Kopf nun nach Hause tragen und zu einem Kohl eindampfen möchten, möchts gut sein. Ich weiß es nicht genau. Aber es müßte gut sein.« Der Sekretär bäumte sich auf wie ein erzürntes Pferd.
»Dafür fehlt mir, glaub ich, jedes Verständnis«, griff er offen an.
»Das ist es ja, das ist es ja«, sagte der Präsident und nickte viele Male. »Es fehlt Ihnen oft genug am Richtigen. Es fehlt Ihnen an Verständnis. Warum, Sie tanzender Esel«, brüllte er und schnellte empor, »warum schrien Sie vorhin, es kann nicht sein, es kann nicht sein, daß Sie ein Spion hört? Hä?? Wie kommen Sie dazu, zu wissen, daß das nicht auch jetzt sein kann?
Und mit diesen Worten ging er hinaus, – und eine grenzenlose Verachtung durchschüttelte ihn. Die vier Verbliebenen gafften ihm nach, offenbar ohne einen Schimmer von dem, was er meinte. Syme allein, dem schwante freilich etwas – sosehr, daß er in Mark und Bein hinein erschauerte. Wenn die letzten Worte etwas meinen wollten, konnten sie nur meinen: »da ist etwas nicht unverdächtig. Und wenn ich ihn auch noch nicht öffentlich so wie Gogol brandmarken kann, so trau ich ihm doch nicht so wie den anderen ...« Und dann standen die andern viere brummend auf und begaben sich irgendwohin – zum Lunch, denn es war schon nach zwölf. Als letzter von ihnen der Professor: mühsam; unter Qualen ... Syme aber saß noch lange, nachdem sie gegangen, seine seltsame Situation durchdenkend. Dem Blitzschlag wäre er ja glücklich entgangen. Aber die Wolke – die drohte immer noch über ihm ... Schließlich stand auch er auf und ging aus dem Hotel – auf Leicester Square hinaus. Der lichte kalte Tag war zunehmend kälter geworden. Und als er auf der Straße war, fielen zu seinem Erstaunen sogar ein paar Schneeflocken. Während er aber den Stockdegen und die übrige bewegliche Habe Gregorys noch bei sich trug – hatte er den Mantelkragen irgendwo abgelegt und dann liegen lassen, kann sein auf dem Dampfer, kann auch sein auf dem Balkon. Hoffend indes, daß der Schneeschauer nicht viel machen würde, eilte er mit ein paar Schritten bis zum Türeingang eines kleinen schmutzigen Friseurladens und stand da unter. Das Auslagefenster stand ganz leer – nur eine ekelhafte
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