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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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    Es war nichts Besonderes an dem verwilderten Hektar Ackerland unterhalb eines Dorfes am Rande der Dolomiten. Er lag am Fuß eines Abhangs, der mit Hartholzbäumen bewachsen warf aus denen man gut Feuerholz machen konnte, was dann auch als Argument diente, den Preis nach oben zu drücken, als das Grundstück mit dem zweihundert Jahre alten Haus darauf zum Verkauf kam. Im Norden erhob sich ein kahler Berg über der Ortschaft Ponte nelle Alpi; knapp hundert Kilometer südlich lag Venedig, zu weit entfernt, um Politik oder Brauchtum der Gegend zu beeinflussen. In den Dörfern sprachen die Leute nur widerwillig Italienisch; sie fühlten sich in ihrem Belluneser Dialekt mehr zu Hause.
    Das Land hatte fast ein halbes Jahrhundert brachgelegen, das Steinhaus darauf ebenso lange leergestanden. Die großen Schieferplatten auf dem Dach, die das Haus vor Regen und Schnee schützen sollten, hatten sich durch Alter und plötzliche Temperaturschwankungen verschoben, vielleicht auch durch das eine oder andere Erdbeben, das im Lauf der Zeit die Gegend heimgesucht hatte. Viele der Platten waren heruntergefallen und die oberen Zimmer dadurch den Elementen preisgegeben. Um Haus und Grundstück stritten acht Erben, von denen keiner sich die Mühe gemacht hatte, die Schäden einzudämmen, weil er die paar hunderttausend Lire dafür womöglich nie wiedergesehen hätte. So konnten Schnee und Regen zuerst einsickern, dann hineinströmen und Putz und Dielen aufweichen, und das Dach neigte sich von Jahr zu Jahr immer trunkener der Erde entgegen.
    Der Acker war aus denselben Gründen verwildert. Keiner der Erbschaftsanwärter hatte Zeit und Geld in die Bearbeitung stecken oder seine rechtliche Position dadurch schwächen wollen, daß er das Land unentgeltlich nützte. Das Unkraut gedieh prächtig, zumal die letzten Pächter das Land jahrzehntelang mit den Hinterlassenschaften ihrer Kaninchen gedüngt hatten.
    Was den Erbstreit schließlich beilegte, war der Duft ausländischen Geldes: Zwei Tage nachdem ein deutscher Arzt im Ruhestand ein Angebot für Haus und Grundstück gemacht hatte, trafen die acht Erben sich im Haus des Ältesten. Noch ehe der Abend zu Ende ging, hatten sie einstimmig beschlossen, Haus und Grundstück zu verkaufen; des weiteren waren sie sich einig, erst dann zu verkaufen, wenn der Ausländer sein Angebot verdoppelte, womit der Preis auf das Vierfache dessen stieg, was ein Einheimischer hätte zahlen wollen - oder können.
    Drei Wochen nach Abschluß des Handels wurde das Haus eingerüstet, und die jahrhundertealten handgeschnittenen Schieferplatten zerschellten auf dem Hof. Die Kunst des Schieferdeckens war mit denen ausgestorben, die noch wußten, wie man die Platten schnitt, und so wurde das Dach mit vorgefertigten Betonvierecken gedeckt, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Terrakotta-Kacheln hatten. Da der Arzt den ältesten der Erben als Bauleiter engagiert hatte, ging die Arbeit zügig voran; da man in der Provinz Belluno lebte, wurde sie redlich und gut ausgeführt. Als es richtig Frühling wurde, war die Restaurierung des Hauses fast abgeschlossen, und mit den ersten warmen Tagen richtete der neue Besitzer, der sein ganzes Berufsleben in hellerleuchteten Operationssälen eingesperrt gewesen war und die Arbeiten von München aus über Telefon und Fax dirigierte, sein Augenmerk auf die Gestaltung des Gartens, von dem er schon seit Jahren träumte.
    Das Gedächtnis eines Dorfes ist lang, und man wußte noch, daß der alte Garten entlang der Reihe von Walnußbäumen hinter dem Haus verlaufen war, weshalb Egidio Buschetti, der Bauleiter, dort zu pflügen beschloß. Das Land war, solange er denken konnte, nie bearbeitet worden, darum würde sein Traktor wahrscheinlich zweimal darüberfahren müssen, einmal, um das meterhohe Unkraut umzulegen, dann noch einmal, um den fetten Boden darunter aufzubrechen. Zuerst glaubte Buschetti, es wäre ein Pferd - er erinnerte sich, daß die früheren Besitzer zwei Pferde gehabt hatten - und fuhr mit dem Traktor einfach weiter bis zu der Stelle, an der das Feld nach seiner Schätzung endete. Er drehte das große Lenkrad, wendete und fuhr zurück, stolz auf die schnurgeraden Furchen und froh, wieder einmal draußen in der Sonne zu sein und hören und fühlen zu können, was er tat, nun, da es endlich Frühling war. Er sah den Knochen schräg aus der zuletzt gezogenen Furche ragen, lang und weiß Und scharf abgehoben von der fast schwarzen Erde. Nein, nicht lang genug für ein Pferd,

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