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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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aufbringen können. Kamerad Syme und ich haben etwas in Erfahrung gebracht, das zu erzählen mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als uns gegeben ist, wenn wir danach handeln wollen. Ich will – nichtsdestoweniger – den Vorfall mit allen Details berichten – auf die Gefahr hin, alle mögliche Zeit zu verlieren – sobald als Sie in der Tat finden, daß es zum Verständnis des Problems, das wir zu diskutieren haben, unbedingt notwendig ist.«
    Er spann seine Sätze aus, machte sie unerträglich lang und breitspurig, in der Hoffnung, den praktischen kleinen Doktor rasend – bis zum Platzen, d.h. eben so weit rasend zu machen, daß er seine Pläne aufdecke – und sich in die Karten schauen ließe. Aber der kleine Doktor, der starrte immer nur so wie zuvor und lächelte – und des Professors ganzer langer Monolog war rein für die Katz. Syme geriet von neuem in ein Kranksein vor Verzweiflung. Des Doktors Lächeln und Schweigen, das war gar nicht so wie das kataleptische Starren und fürchterliche Stummsein des Professors von vor einer halben Stunde. Des Professors Getu und all seine Grimassen, die hatten so etwas bloß Groteskes, von einem Popanz etwas. Und all die wilde Pein von gestern, die kam Syme heute vor gerad als wie aus Kindertagen ein Schreck vorm schwarzen Mann. Aber hier – hier war Tageslicht. Und hier war ein gesunder, breitschultriger Mann in Halbtuch – und der war nicht nur unheimlich, weil er zufällig ein paar ekelhafte Brillen trug, und der blickte auch nicht wild und grinste auch nicht – sondern der lächelte nur immerfort und sprach keine Silbe. Das Ganze hier war von einer unerträglichen Realität. Und unter dem zunehmenden Sonnenlicht nahm der Teint des Dr. Bull, nahm das Muster seines Anzugs an Farben zu, wurde alles das bunter und am Ende so übertrieben, wie sonst nur in einem realistischen Roman. Nur sein Lächeln blieb ganz so licht und seine Pose so höflich wie erst; das einzige eigentlich, das nicht geheuer an ihm war, das war sein Schweigen.
    »Wie ich schon sagte«, fing der Professor zum drittenmal an – und es war gerad, wie wenn sich ein Mensch durch schweren Sand hindurcharbeitete – »ist der Fall, der uns zugestoßen ist und uns nun treibt, uns über den Marquis zu erkundigen ... wie gesagt, ist das ein Fall, von dem Sie meinen werden, daß es besser gewesen wäre, wir hätten ihn Ihnen erzählt. Aber indem die Sache doch Kamerad Syme mehr denn mir in den Weg kam – –« Er schien die Worte lang- und hinzuziehen wie in einem Psalmgesang. Aber Syme, der fein Obacht gab, sah dann, wie seine langen Finger die Kante des gebrechlichen Tisches wütend bearbeiteten. Und las die Botschaft: »Jetzt müssen Sie dran. Der Teufel hat mich ganz und gar ausgepumpt!«
    Also sprang Syme mit jener Improvisationsbravour in die Bresche, die ihn allemal, so oft er alarmiert wurde, überkam.
    »Ja ja, eigentlich passierte die Sache ja mir«, sprach er hastig. »Ich hatte das Schwein, mit einem Detektiv in Unterhaltung zu geraten, einem Detektiv, der mich dank meinem Hut für eine respektable Persönlichkeit hielt. Um diese Reputation von Respektierlichkeit noch zu vernieten, nahm ich ihn mit und machte ihn im Savoy regelrecht besoffen. Dabei wurde er freundlich und gestand mir in so manchen Worten: in einem Tag oder zwei hoffe man, den Marquis in Frankreich zu verhaften. Wofern also nicht Sie oder ich seine Spur wissen – –«
    Der Doktor aber, der lächelte immer noch auf die freundlichste Art und Weise, und seine geschützten Augen, an die war nicht anzukommen. Der Professor signalisierte Syme, daß er nun seine Auseinandersetzung wieder aufnehmen würde und begann auch sogleich mit sorgfältig ausgearbeiteter Kaltblütigkeit.
    »Syme überbrachte mir natürlich sofort diese Neuigkeit, und dann kamen wir beide zusammen hierher, um zu sehen, was Sie nun für nötig fänden und zu machen geneigt sein würden. Ich halte es ohne alle Frage für äußerst dringlich, daß – –«
    All diese Zeit starrte Syme den Doktor an – so wie der Doktor den Professor anstarrte. Abgesehen von jenem Lächeln natürlich. Die Nervenstränge der zwei Bundesgenossen waren nah daran, unter dieser statuenhaften Liebenswürdigkeit zu reißen, als Syme sich plötzlich nach vorne lehnte und wie müßig an der Tischecke herumfingerte. Und seine Botschaft an seinen Alliierten lautete: »Ich hab eine Idee.«
    Der Professor signalisierte, ohne eine Pause in seiner Rede zu machen, zurück: »Dann immer

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