Der Mann, der ins KZ einbrach
kamen an zwei abgestürzten und ausgebrannten Stukas vorbei, ein Anblick, der uns ein wenig tröstete. Unser erster echter Feindkontakt erfolgte am späten Nachmittag, als wir in ein kurzes Gefecht gegen fünf italienische Panzer gerieten. Beim Bataillon war man guter Dinge und freute sich schon auf »ein Bier in Tripolis«. Wie sich herausstellen sollte, konnten die Burschen froh sein, später ein Bier in Kairo trinken zu können. Ich kann mich nicht erinnern, dass bei uns jemand ähnliche Gedanken hegte, als wir das Lager aufschlugen. Wir verbrachten die Nacht in einer Kette flacher Hügel, die von tiefen Mulden umgeben waren, und schliefen auf kiesiger Erde in einer Landschaft voller Gräber.
Wir standen früh auf, damit niemand uns im Schlaf überraschte. Der Morgen war klar und kalt und begann mit einem Gefecht, an das wir gewöhnt waren, einem weiteren Schusswechsel mit italienischen Panzern. Wir jagten sie nach Norden in Richtung der Quelle bei Bir el Gubi, und die neuen Crusader-Kampfwagen der 22. Panzerbrigade unterstützten uns. Bir el Gubi war von feindlichen Lkw umgeben, ein verlockendes Ziel, doch was als Nächstes geschah, war nicht minder aufregend und entsetzlich, und wir hatten Plätze auf der Haupttribüne.
Die feindlichen Lastwagen waren nicht das, was sie zu sein schienen: Sie dienten zur Tarnung gut eingegrabener Panzerabwehrkanonen. Bald sah man nur noch Rauch- und Staubwolken. Unsere Panzer fuhren mitten durch die feindlichen Stellungen und überrollten die Italiener in ihren Schützengräben, aber den Panzerabwehrkanonen waren sie nicht gewachsen, und es gab schreckliche Verluste.
Über Funk erhielten wir Befehl, vorzustoßen und Gefangene zu machen. Es hieß, Bir el Gubi sei erobert, doch als der Rauch sich hob, war zu sehen, dass es dort noch sehr lebhaft zuging und sowohl Artillerie als auch Paks feuerten. Zu unser aller Glück wies Captain Franklyn den Befehl zum Vormarsch zurück. Am späten Nachmittag hatte die 22. Panzerbrigade sechzig italienische Panzer abgeschossen, dabei aber fünfundzwanzig neue Crusader verloren. Das ließ nichts Gutes hoffen für den Tag, an dem sie zum ersten Mal auf deutsche Panzer trafen.
Bei Einbruch der Dunkelheit rückten wir vor, um zu erkunden, ob von unseren abgeschossenen Crusadern noch welche zu retten waren. Einige qualmten noch, und überall auf dem Schlachtfeld lagen Tote und Verwundete beider Seiten. Mindestens zwei unserer Panzer hatten nur die Ketten verloren. Von Bir el Gubi her drangen Motorengeräusche und Rufe zu uns. Als wir hörten, dass Italiener näher kamen, legten wir uns auf die Lauer und konnten einen Gefangenen machen.
Am nächsten Tag, dem 20. November, begruben wir meinen Freund Bill Manley. Der gute alte Bill. Er musste durch einen sauberen Schuss gestorben sein, denn er war tot, als ich ihn erreichte, und ich kann mich nicht erinnern, dass sein Körper weitere Wunden aufwies. Im ersten Morgenlicht betteten wir ihn zur Ruhe. Es gab keine Zeremonie, kein Gebet, nichts. Ich ging auf die Knie, schaufelte so viel feinen Sand weg, wie ich konnte, und versuchte zu verhindern, dass er in die flache Grube nachrutschte. Wir brachen Bills Erkennungsmarke ab, die um seinen Hals hing, und legten ihn in das flache Grab in der Wüste. Ich versuchte, ihm nicht ins Gesicht zu schauen, während ich ihn mit Sand bedeckte. Bill war einer von den Jungs gewesen, die gern über die Heimat sprachen, über die Familie und über Dinge, die wirklich zählten. Das taten wir anderen im Allgemeinen nicht. Keiner von uns wollte enge Bindungen eingehen, und in Augenblicken wie diesem, wo man im Sand kniete und ihn auf die Leiche eines Menschen schaufelte, wusste man, weshalb man nicht darüber sprach. Wir häuften sämtliche Steine, die wir finden konnten, auf das Grab, damit streunende Hunde nicht an die Leiche heran konnten. Dann standen wir auf, ohne ein Gebet gesprochen zu haben. Ich entfernte den Schlagbolzen aus Bills Gewehr, pflanzte das Schwert auf und rammte es mit dem Lauf nach unten in den Sand zu seinen Füßen. Dann drehte ich mich um und ließ ihn allein in der Wüste zurück.
Lange nachdem alles vorüber war, wurden die Schlachtfelder aufgeräumt. Die Leichen brachte man auf die Militärfriedhöfe, aber viele wurden nicht gefunden, und man listete sie auf dem Denkmal von El Alamein auf. Bills Name steht auch dort, also liegt er noch immer, wo ich ihn zurückließ, im feinen Sand irgendwo südlich von Sidi Rezegh.
Wieder wurden wir
Weitere Kostenlose Bücher