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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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bewohnt hatten; man konnte sich vorstellen, wie sie sich zum Abendessen in einem der luxuriösen Speisesäle an Bord umzogen, ehe sie wieder zum Vorschein kamen, todschick und elegant, um über das Deck zu promenieren.
    Doch ich spürte den kratzigen Wüstensand in meiner steifen, verdreckten Uniform stärker den je. Als ich in meiner Kabine war, fuhr ich mit der Hand über die weichen Bettlaken und träumte. Die wunden Stellen an meinen Armen erschienen plötzlich mehr als Peinlichkeit denn als Abzeichen des Wüstenkrieges.
    Ich hörte ein Hüsteln und blickte auf, und plötzlich standen nicht nur einer, sondern zwei indische Stewards vor mir.
    »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Sir?«
    »Äh … ausgezeichnet«, sagte ich zögernd. Monatelang hatte ich nur Befehle gekannt, wenig Auswahl und keinerlei Komfort. Jetzt wurde ich mit reichlich Auswahl und jeder Menge Komfort für die verlorene Zeit entschädigt.
    »Haben Sie alles, was Sie brauchen?«
    »Alles, was ich brauche? Ja.«
    »Sehr wohl.« Er war noch nicht zufrieden. »Wie möchten Sie Ihr Bad, Sir? Welche Temperatur soll das Wasser haben?«
    Ich spürte, wie meine Lippen sich zu einem schiefen Grinsen verzogen.
    An Bord der Île de France waren Hunderte italienische Kriegsgefangene. Unsere Aufgabe bestand darin, an den Niedergängen, die zu ihren Unterkünften führten, Wache zu stehen und sie daran zu hindern, auszubrechen oder gar das Schiff an sich zu bringen. Als Bewaffnung bekam ich einen italienischen Karabiner, was mir gar nicht gefiel. Da gibt es doch wirklich Besseres, dachte ich. Unser Lee-Enfield zum Beispiel, das beste Gewehr auf der Welt. Aber die meisten Italiener waren froh, dass der Krieg für sie vorbei war; deshalb bestand kein besonders hohes Risiko.
    Nach den Härten der Wüste kam einem alles wie ein Spaziergang vor. Manchmal aß ich am Tisch des Captains. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit bekam ich Weißbrot. In der Wüste hatte es überhaupt kein Brot gegeben.
    Nach unserer Ankunft in Durban übergaben wir die Gefangenen an eine andere Einheit und meldeten uns in Clarewood Camp. Der erste Teil unseres Auftrags war erledigt.
    Zu dieser Zeit herrschte in Südafrika eine Atmosphäre des Unwirklichen. Doch ich war entschlossen, die Stadt zu erkunden, und wurde an den Navy League Club verwiesen, ein hübsches kühles Lokal im Kolonialstil mit einer langen Theke. Dort gab es Musik und menschliche Wesen, wie ich sie von früher kannte: Leute mit Alltagssorgen, die nichts damit zu tun hatten, dass man ständig ums Überleben kämpfen musste. Ein endloser Strom von Gästen wollte, dass wir ihnen von der Wüste erzählten. Wir waren kleine Berühmtheiten. Mir wurde es schnell zu viel, aber wenigstens konnte man hier Tee trinken und bekam dazu sogar anständiges Brot.
    Ich lernte ein hübsches Mädchen namens Joyce Merrit kennen. Sie war leitende Angestellte bei der Stinkwood Furniture Company, einer Möbelfabrik, die Tische und Stühle aus einem teuren Hartholz anfertigte. Seinen Namen verdankte dieses Holz dem Geruch, den es verströmte, wenn es bearbeitet wurde. Schon bald lud Joyce mich zu ihren Eltern ein, und nach einigen Besuchen schlugen die Merrits mir vor, bei ihnen zu wohnen statt in der Kaserne. Das war nichts Ungewöhnliches. Auch andere Kameraden waren bei südafrikanischen Familien untergekommen, und die meisten, darunter auch Bill, verbrachten dort eine tolle Zeit. Familie Merrit lebte in einer komfortablen Wohnung an einer breiten Straße, die zur mit Palmen bestandenen Esplanade hinunterführte.
    Das Leben meinte es gut mit mir, und der Krieg schien eine Million Meilen weit weg zu sein. Ich mochte Joyce sehr, und wir verbrachten so viel Zeit zusammen, dass man beinahe schon sagen konnte, dass wir miteinander gingen. Sie war eine erstklassige Seglerin und fuhr mit mir auf der Jacht die Küste entlang. Außerdem war sie eine gute Schwimmerin, die keine Miene verzog, wenn die Signalhörner aufheulten und vor Haien warnten. Sie war ein großartiges Mädchen.
    Mein Dienst beanspruchte mich ungefähr eine halbe Stunde am Tag. Ich erhielt in Clarewood Camp eine Liste von Gefangenennummern und musste sie an die Kommandantur in Durban weiterleiten. Ich genoss das Leben mit Joyce’ Familie. Der Chauffeur fuhr uns zum Kino, wo wir mit Drinks in der Hand auf Sesseln saßen, die von Lloyd Loom hätten sein können, und uns einen Film anschauten, während Kellnerinnen uns jeden Wunsch von den Augen ablasen.
    Joyce konnte sich einige Zeit

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