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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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frei nehmen und schlug einen gemeinsamen Ausflug vor, denn sie wusste, wie ungern ich die ständigen Fragen über den Wüstenkrieg beantwortete. Das Bataillon hatte mich offensichtlich zur Erholung nach Südafrika geschickt, und zu meinem Erstaunen wurde meinem Urlaubsgesuch stattgegeben, sodass wir Südafrika der Länge und Breite nach durchreisten. Wir überquerten sogar die Nordgrenze nach Rhodesien, wie es damals noch hieß. Die Landschaft war himmlisch, und ständig umschwärmten uns Dienstboten. Man wagte es kaum, irgendetwas selbst zu tun. Wir hatten Sommer 1941, mitten im Krieg, und ich ließ es mir in Afrika gut gehen.
    Vielleicht hatte ich das große Los gezogen. Vielleicht konnte ich mich nach dem Krieg hier niederlassen. Doch als wir wieder in Durban waren, regte sich etwas in mir. Ständig sah ich die Männer, die auf Schiffen herkamen und sich anschickten, aufs Blaue zu gehen. Es nagte immer mehr an meinem Gewissen. Und dann begegnete ich auf der Straße George Sherlock. Ich glaube, das gab den Ausschlag. Joyce war bei mir, als ich ihm über den Weg lief. Er rief, und ehe ich begriffen hatte, woher die Stimme gekommen war, humpelte er auf Krücken über die Straße. Es war wunderbar, einen Mann lebendig zu sehen, den ich zuletzt gesehen hatte, wie er sich am Boden wand und vor Schmerzen schrie. Er sah gut aus, auch wenn er durch die Thermosbombe einen Fuß verloren hatte. Wir freuten uns unendlich, einander zu sehen.
    Meine Entscheidung stand nun endgültig fest: Ich musste zurück zu meinem Bataillon. Als ich erfuhr, dass die Mauretania nach Suez auslief, ging ich mit einer Gruppe anderer Jungs an Bord. Ich hatte vor, mich zu melden, sobald wir auf See waren.
    Joyce’ Familie sagte ich, dass ich eine Zeitlang fort sein würde. Ich machte kein großes Getue darum. Um ehrlich zu sein, war ich nicht offen zu Joyce: Ich verschwieg ihr, dass ich wieder aufs Blaue ging und ich vielleicht nicht zurückkehrte. Im Krieg lässt man nicht zu, dass ein anderer Mensch einem wirklich nahe kommt, und bei Joyce hatte ich vielleicht eine Grenze überschritten. Und nun stand ich davor, eine Welt gegen eine andere einzutauschen; deshalb tat ich einfach so, als legte ich einen Schalter um. Anders ging es nicht. Ich schrieb ihr später aus Ägypten und versuchte es ihr zu erklären, aber getan war getan.
    Fünf Jahre nach dem Krieg besuchte Joyce England und schrieb mir vorher, weil sie erfahren wollte, wie es mir ging. Ich war zu der Zeit bereits verheiratet. Ich habe Joyce nie wiedergesehen.
    Man hatte mir eine Fahrkarte in die Sicherheit Südafrikas geschenkt, und ich hatte sie zerrissen. Ich kehrte in den Krieg zurück. Ich hatte das Gefühl, nicht anders handeln zu können, aber ich gab Joyce auf und alles, was vielleicht aus uns geworden wäre, hätte ich mich anders entschieden. Wie blöd man doch sein kann.
    Das Schiff war voller Südafrikaner in Heldenlaune, und es wurde viel gesungen an Bord, meist in Afrikaans. Ich habe die Sprache nie gelernt, aber die Melodien, die nachts über die verdunkelten Decks zu mir drangen, blieben mir im Gedächtnis.
    Es fiel mir schwer, die gute Stimmung der Südafrikaner zu teilen. Ich wusste, was ihnen bevorstand, aber ich wollte kein Spielverderber sein. Sie würden schwere Zeiten durchmachen, und ich würde einiges davon mitbekommen. Leicht würde es für keinen von uns.
    Als wir außer Reichweite der Küste waren, meldete ich mich bei einem britischen Offizier an Bord. Seine Antwort war vorhersehbar und unverblümt: »Was für ein Schwachsinn.« Mehr sagte er nicht. Er konnte es kaum glauben, das war nicht zu verkennen. Man fand rasch eine Koje für mich, aber in der Hitze schliefen wir ohnehin meistens an Deck.
    Als ich wieder aufs Blaue kam, gab es weiteren Ärger. Durch meine Rückkehr hatte ich gegen einen Befehl verstoßen, doch ohne Erlaubnis anwesend zu sein, war ein zu ungewöhnlicher Vorwurf, als dass man mich deshalb zu irgendetwas vergattern konnte. Ich bekam die übliche »Zigarre«, aber das war’s auch schon, denn es wurden dringend Männer gebraucht. Die Deutschen hämmerten an die Tür. Unsere vergangenen Siege waren tot und begraben. Sie gehörten zu einem anderen Krieg. Alles sprach nur vom General der Panzertruppen Erwin Rommel, dem Wüstenfuchs. Die Deutschen waren bis zur ägyptischen Grenze vorgestoßen und belagerten Tobruk.

6. Kapitel
     
     
    I n Marsa Matruh holten wir die Bren-Carrier ab und fuhren los, um uns dem Bataillon anzuschließen. Ich war

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