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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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nächsten Tag einverstanden gewesen. Das hatte gestern stattgefunden. Sie hatten den Abend bei ihm zu Hause beendet, und er war sie erst am nächsten Vormittag wieder losgeworden. Sie wollte ihn wiedersehen, er machte keine Versprechen. Wenn er nichts von sich hören ließe, würde sie sich melden, hatte sie lachend verkündet. Er würde ihr nicht entkommen, denn jetzt wisse sie ja, wo er wohne. Drei Stunden später hatte Sebastian alles mitgenommen, was er aus dem Haus schaffen wollte, und die Tür hinter sich geschlossen, um nie wieder zurückzukehren.
    Jetzt stand er an dem Ort, von dem er geglaubt hatte, er würde ihn niemals wieder aufsuchen. Eigentlich hatte er sich sogar geschworen, niemals wieder dorthin zu gehen. Diesem Mann nie wieder einen Besuch abzustatten. Nun lagen sie beide dort, auf dem Friedhof. Er stand am Grab seiner Eltern.
    Die Blumen von der Beerdigung waren verwelkt. Das Grab sah ungepflegt aus. Sebastian fragte sich, warum niemand die verdorrten Sträuße und die von Rehen umgestoßenen und zur Hälfte aufgefressenen Gestecke entfernt hatte. Musste er etwa irgendwelche Formulare oder Ähnliches unterschreiben, damit sich die Friedhofsverwaltung um das Grab kümmerte? Er hatte jedenfalls nicht vor, es zu pflegen. Selbst wenn er in Västerås leben würde, täte er es nicht. Es war ein völlig abwegiger Gedanke.
    Auf dem Grabstein aus rotem Granit war eine Sonne eingraviert, die auf- oder unterging, dahinter standen zwei hochgeschossene Kiefern. Die Grabinschrift lautete: «Bergmans Familiengrab», und darunter stand der Name seines Vaters: Ture Bergman. Esthers Name war noch nicht hinzugefügt worden, das Grab musste sich erst setzen, bevor man den Grabstein für eine neue Gravur wegtransportieren konnte. Sechs Monate dauerte das, hatte Sebastian irgendwo gehört.
    Ture war 1988 gestorben. Zweiundzwanzig Jahre lang hatte seine Mutter allein gelebt. Sebastian ertappte sich bei der Überlegung, ob sie jemals mit dem Gedanken gespielt hatte, ihn zu besuchen. Ihm die Hand zur Versöhnung zu reichen. Und wenn sie es getan hätte, hätte er sie dann genommen?
    Vermutlich nicht.
    Sebastian stand einige Meter von dem ungepflegten Grab entfernt. Unentschlossen. Um ihn herum war es still, die Sonne wärmte seinen Rücken durch den Mantel hindurch. Ein einzelner Vogel zwitscherte in einer der Birken, die hier und da zwischen den Gräbern gepflanzt worden waren. Eine Frau und ein Mann radelten draußen auf dem Fußweg vorbei. Sie lachte über etwas. Ein perlendes Lachen, das zum strahlend blauen Himmel aufstieg und fehl am Platz schien. Was hatte er hier eigentlich zu suchen? Er konnte sich nicht überwinden, näher an das Grab heranzutreten. Immerhin lag eine tragische Ironie darin, dass der letzte Ruheplatz seiner Mutter, die zeit ihres Lebens eine überaus ordentliche Frau gewesen war, einem Komposthaufen glich.
    Sebastian ging die letzten Schritte bis zum Grab und kniete sich davor. Unbeholfen begann er, die verwelkten Blumen zu entfernen.
    «Das hättest du nicht erwartet, dass ich kommen würde, was Mutter?»
    Der Klang seiner eigenen Stimme verwunderte und verwirrte ihn zugleich. Er hätte nie von sich gedacht, dass er sich einmal hockend als Grabpfleger betätigen würde, während er mit seiner toten Mutter sprach. Was war mit ihm geschehen?
    Es hatte etwas mit diesen Zahlen zu tun.
    1988. Zweiundzwanzig Jahre allein. An Geburtstagen, an Werktagen, an Weihnachten, in den Ferien. Auch wenn sie Freunde hatte, musste es in dem großen Haus doch die meiste Zeit über still gewesen sein. Viel Zeit, um nachzudenken, was gewesen war und was kam. Ihr Stolz war größer gewesen als ihre Sehnsucht, die Furcht vor einer Zurückweisung größer als das Bedürfnis nach Liebe.
    Mutter eines Sohnes, von dem sie nie etwas hörte. Einige kurze Jahre lang Großmutter eines Kindes, das sie nie sah. Sebastian beendete sein unbeholfenes Zupfen an den Pflanzen und stand auf. Er wühlte in seiner Tasche nach der Geldbörse und holte das Foto von Sabine und Lily hervor, das auf dem Klavier im Haus gestanden hatte.
    «Du hast sie nie zu Gesicht bekommen. Dafür habe ich gesorgt.» Seine rechte Hand krampfte sich um das Portemonnaie. Er spürte, dass er den Tränen nah war. Die Trauer. Auf keinen Fall um seinen Vater, und nicht um seine Mutter, auch wenn er eine gewisse Traurigkeit darüber empfinden konnte, wie banal ihr Konflikt im Verhältnis zu seinen weitreichenden Folgen erschien. Er weinte nicht einmal um Lily und

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